Schrei nach Liebe

»Meteorstraße« (2016)

Die Berliner Meteorstraße – ein Mekka für Plane-Spotter. Mehrmals täglich donnern die geflügelten Stahlkolosse über den grauen Himmel von Berlin-Tegel. Regisseurin Aline Fischer nimmt diesen Ort der Rastlosigkeit und des Lärms als Setting für ihren gleichnamigen Film. Dorthin sind Lakhdar und Mohammed vor den Bomben im Libanon geflohen. Dort hat die Familie eine Existenz aufgebaut. Von dort hat man die Eltern der Brüder wieder abgeschoben.

Die beiden jungen Männer hausen in der zunehmend verfallenden Wohnung auf der Suche nach einem funktionierenden Modell des Zusammenlebens. Der 18jährige Mohammed schlägt sich ganz passabel: er arbeitet hilfsweise in einer Motorrad-Werkstatt, hat eine Ausbildungsstelle in Sicht und nähert sich dem Islam langsam wieder an. Lakhdar hingegen ist abgerutscht, nimmt Drogen und ist gefangen in seiner Perspektivlosigkeit. Der junge Mann ist dabei rastlos, impulsiv und aggressiv gegen seinen Bruder und die beiden Hunde. Er weiß nicht wohin mit seiner Energie, wohin mit seiner Wut. In obskuren Ausbrüchen zeigt sich dabei immer wieder das erfahrene Leid und die Kriegserinnerungen aus der Heimat. Die Brüder sind Menschen die schon lange in Berlin leben und doch kein Gefühl der Zugehörigkeit erfahren.

Seine Eltern raten Mohammed sich auf sein eigenes Leben zu konzentrieren und sich von Lakhdar fernzuhalten. Die brüderliche Liebe fesselt Mohammed an die gemeinsame Wohnung und lässt ihn in der Gegenwart seines Bruders vereinsamen. Nachdem er keinen anderen Ausweg sieht und wieder in die Heimat zurückkehren will, sagt der Vater ihm am Telefon dass auch im Libanon kein Zuhause mehr auf ihn wartet.

Oktay Inanç Özdemir beeindruckt, wie schon in dem TV-Film »Wut« (2006), durch seine Leinwandpräsenz. Die plötzlichen Ausbrüche unkontrollierbarer Agression, die Schreie und besonders die zugleich wütenden als auch verletzten Blicke seiner Figur berühren, machen Angst und erzeugen zugleich Mitleid. Auch Hussein Eliraquis Mohammed überzeugt in seiner Zerissenheit zwischen Zuneigung, Orientierungslosigkeit und der Suche nach sich selbst.

Ein Film über die Suche nach der eigenen Männlichkeit, nach einem Zuhause und der Sehnsucht nach Familie: »Meteorstraße« ist der erste abendfüllende Spielfilm der Konrad Wolf-Absolventin Aline Fischer und bildet den Auftakt der diesjährigen Berlinale-Sektion Perspektive deutsches Kino. Sehenswert!

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