Technicolor außerhalb der Berlinale: The Black Pirate

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Es liegt vermutlich an der Kopienlage, dass dieser famose Film nicht im offiziellen Programm läuft: Barbara Flückiger schreibt in ihrem Essay im Begleitband, wie unterschiedlich die Farben in den verschiedenen Restaurierungsfassungen aussehen: "Nach heutiger Quellenlage lässt sich nur schwer beurteilen, wie die Farben in The Black Pirate wirklich ausgesehen haben" – zeitgenössische Quellen sprechen von Sepia- und Grüntönen, die Kopie, die im Babylon lief – die BluRay-Fassung – "fällt vor allem [durch] die völlig uneinheitliche Farbgebung auf", so Flückiger. Will sagen: Die Farben wurden irgendwann in der Überliefungsgeschichte stellenweise ins Blau verschoben, so dass beispielsweise das Meer je nach Szene mal grünlich, mal bläulich wirkt.

Nein: Wahrscheinlich kann man einen solchen Film, der sich (bisher) nicht wirklich an das ursprüngliche Original anpassen lässt, kaum bei einer Retro-Präsentation zeigen. Zeigen aber muss man ihn – Douglas Fairbanks war von dem neuen Farbverfahren begeistert gewesen, damals, hat monatelange Tests ausrichten lassen, um die richtigen Farbwerte für die richtigen Kostüme und Sets zu finden. Und der Film war ein Erfolg, und kann bis heute seine Wirkung entfalten. Zwar fehlt das volle Spektrum der Farben – die Schattierungen von Grün – und eben auch blau – finden sich, ein rot, das ins braun tendiert, ab und zu auch richtig knallig wird; doch alles, was in Richtung gelb geht, ist verloren, die menschliche Haut wirkt blass, der Sandstrand auch – kurz: So ungefähr sehen auch ausgebleichte, rotstichige, unrestaurierte Kopien aus den 1950ern aus.

Und Fairbanks arbeitet ganz bewusst mit den Farben: Während er selbst, um dem Filmtitel gerecht zu werden, schwarz trägt, ist sein Widersacher in grün gekleidet, der treue schottische Piratenfreund in rot, die holde Prinzessin in blau. Und punktuell setzt er Akzente: Gleich zu Anfang, wenn man das Treiben der blutrünstigen Piraten beobachtet, die ihre Opfer an den Mast ihres Schiffes binden, um dieses dann in die Luft zu sprengen – vor diesem ohnehin barbarischen Akt sehen wir einen der Gefangenen, wie er ein Schmuckstück, einen Ring verschluckt. Ein Kopfnicken des Piratenkapitäns, sein Pirat schnappt sich den Dolch, verlässt das Bild und kehrt mit rot-blutverschmierten Händen und dem Ring zurück… Später sehen wir den bösen Piraten, wie er einem anderen Gefangenen lässig den Degen in den Leib sticht, einfach so nebenbei – außerhalb des Bildkaders zwar, aber dafür mit umso größerer Wirkung des Blutes an der Degenspitze.

Der Body-Count ist hoch in diesem Film, und richtig grausam, viele Unschuldigen sterben – der Film wurde in Deutschland als Der Seeräuber nur um einige Kürzungen in den Gewaltszenen vorgeführt, damals.

Begeisternd ist natürlich Fairbanks, einziger Überlebender eines Piratenüberfalls, der, während die Seeräuber ihren Schatz in einer unterirdischen Höhle verstecken – damit auch diese Standardsituation des Genres abgehakt werden kann –, auf eine Holzplanke den Schwur der Rache ritzt. Und sich alsbald den Piraten andient, deren Käpt’n beim Fechten besiegt (indem er geschickterweise seinen Dolch so im Sand drapiert, dass der Gegner hineinfallen muss – eines der vielen pointierten inszenatorischen Details: später wird einer, um nicht einzuschlafen, sich mit Schwertern an den Seiten und einem Dolch unterm Kinn abstützen; ein anderer hängt nonchalant seinen Trinkhumpen an die Fußzehen eines Piraten). Dann nimmt Fairbanks ganz alleine ein Handelsschiff ein – eine dolle Sequenz, Fairbanks klettert wie ein Gecko die Schiffswand hinauf, schwingt sich von Seil zu Seil, von Mast zu Mast, bis er die ganze Mannschaft in Schach hält. Inklusive einem schönen Fräulein, auf das der miese, grüne Widersacher gleich Anspruch erhebt. Und die Fairbanks, um sie zu retten, zur unantastbaren Geisel ernennt.

In diesem letzten Drittel wirkt die Geilheit der Männer als Triebfeder der Handlung: Der Widersacher, der bis zum nächsten Mittag warten muss, lässt das Schiff sprengen, das das Lösegeld einfordern soll – womit er seine ganze Mannschaft um ihren Anteil betrügt –, nur um endlich dieser schmucken Schnitte habhaft werden zu können. Natürlich ist sie rothaarig, sonst hätte ja Technicolor keinen Sinn. Und natürlich kann Fairbanks den Plan verhindern, weil er sich selbst aus größter Not – dem Plankengang – retten kann.

Wie er gerettet wird: Sein treuer roter Freund steckt sich ein Messer in den Hosenbund, blank nach oben gerichtet, stellt sich Bauch an Rücken hinter ihn, und Fairbanks reibt seine hinten gefesselten Hände am Schneid seines Freundes. Dann, kurze Zeit später, wird der miese grüne Pirat einen großen Schlüssel ins Schlüsselloch stecken, um die Prinzessin zu besitzen; sein Degen scheint ohnehin in letzter Zeit immer größer geworden zu sein. Umschnitt auf Fairbanks, der mit einer enormen Kanone vor dem Unterleib erscheint – aber es ist wohl die postfreudianische Versautheit, die hier auf unschickliche Gedanken kommen kann.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich schreibe gerade eine wissenachftliche Arbeit, in der ich mich unter anderem mit diesem Film befasse. Dabei konnten mir die Informationen über das Technnicolorverfahren in dem Film sehr helfen.
Allerdings fehlen mir noch jegliche Informationen zu den Aufführungen in Deutschland und ich kann keine Quellen dazu finden. Auch wenn dieser Artikel schon etwas älter ist, können Sie mir hier sagen, wo und wann der Film in Deutschland aufgeführt wurde oder zu zumindestens wo sie diese Informationen gefunden haben?
Das würde mir wirklich sehr helfen!
Liebe Grüße,
Anna L.

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