Stirb und werde

Die Beiläufigkeit, hinter der dieser einminütige Teaser seine Absichten verbirgt, ist beeindruckend. Er schleicht sich heran an den Zuschauer. Keinen Augenblick käme er auf die Idee, das Ganze diene der Beschwichtigung. Fast könnte er glauben, Daniel Craig habe sich in den Videoclip eines karibischen Rappers verirrt. Gewiss, man sieht ihn kurz bei der Arbeit mit seinem Regisseur. Auch ein alter Weggefährte taucht auf, neben vielen neuen Gesichtern. Aber von Anspannung keine Spur.

Die ersten bewegten Bilder aus „Bond 25“ sind seit Dienstag in der Welt. Ohne großes Aufhebens von sich zu machen, gemahnen sie daran, dass das zwar noch kein Filmtitel ist, sehr wohl aber ein Versprechen. Gleichviel, ob es vom Set schlechte Nachrichten gab, fast ausschließlich sogar, der Trailer animiert dazu, einfach nur dem Rhythmus zu folgen. Es hat immer gut funktioniert, wenn ein Bond-Film im beschwingten Jamaica spielt. Warum sollte es diesmal anders sein?

Es gäbe Auguren, dass die Rechnung diesmal nicht aufgehen könnte. Craig, der die Rolle ums Verderben nicht noch mal spielen wollte, brach sich beim Dreh einen Knöchel. Es soll Spanngen zwischen ihm und Rami Malek gegeben haben, der seinen Widersacher spielt. Der erste Regisseur wurde gefeuert und sein Nachfolger angeblich dabei ertappt, dass er sich lieber auf Videogames konzentriert, als auf die Dreharbeiten. Sodann richtete eine kontrollierte Explosion gehörige Schaden auf dem Set an. Zu allem Überfluss wurde ein Voyeur erwischt, der Kameras auf den Damentoiletten in Pinewood installiert hatte. Und was sagt es über eine Produktion aus, wenn vor Drehbeginn noch schnell eine neue Autorin (Phoebe Waller-Bridge,htig an, bekannt durch „Fleabag“) verpflichtet werden muss?

Eon Productions gaben sich momentan alle Mühe, das Publikum zu beschwichtigen. Sie senden lauter Signale, dass der nächste Bond-Film auf Spur ist. Vor ein paar Tagen besuchte Prinz Charles die Dreharbeiten und fand ein gut aufgelegtes Team vor. Der „Guardian“ veröffentlichte eine Fotostrecke zum Beweis. Sein Gastgeber Daniel Craig lädt nun Fans zum Besuch der Sets in Pinewood ein. Das soll einem karikativen Zweck dienen. Der Star, der sich selbst angezählt hat als Champion in der Rolle, strengt sich im Videoauftritt mächtig an, wie ein vergnügter Bond-Darsteller auszusehen. Aber dank seiner routinierten Selbstironie klappt das. Routine ist ohnehin das Zauberwort bei dieser Kampagne. Bezeichnend sind dabei die Schauplätze dieser vertrauensbildenden Maßnahmen. Jamaica ist der Ort, wo alles begann: Hier schrieb Ian Fleming seine Romane und Kurzgeschichten und hier erlebte Sean Connery seine ersten Abenteuer. Die Pinewood-Studios wiederum stehen ebenso für unerschütterliche Kontinuität. Ich glaube nicht einmal, dass sich das Franchise in einer außerordentlichen Krise befindet. Frühere Produktionen haben weitaus verheerendere Brände und immerhin auch schon Streiks der Drehbuchautorengewerkschaft überstanden. (Waller-Bridge betont, sie müsse das Buch nicht komplett überarbeiten, sondern solle vorrangig eine zeitgenössische weibliche Perspektive einbringen.) Dass die Darsteller regelmäßig zauderten, die Rolle weiter- oder wieder zuspielen, gehört ebenso zur Legende. Bond stand eigentlich immer am Abgrund, er ist eine bewegliche Zielscheibe.

Ich persönlich bin heilfroh, dass die Produzenten sich von ihrer erste Regieidee Danny Boyle getrennt haben. Allerdings ist die Gefahr, die von ihm ausgehen könnte, noch nicht gebannt: Immerhin macht er sich aktuell in Interviews für den dumpfen Robert Pattinson als möglichen Nachfolger stark. Ich mag mir partout nicht vorstellen, dass Bond demnächst ein Antlitz von solch kubistischer Übersichtlichkeit trägt. Dabei war die Vorstellung, Craig würde in dem Drehbuch ermordet, das John Hodge auf Doyles Geheiß schrieb, ja nicht ohne Reiz. Aber er einfach zu ikonoklastisch, um ihm ein Kulturgut von diesen Graden anzuvertrauen. Dieses Franchise verträgt Eigensinn nur bis zu einem bestimmten Punkt. Es hat ihm nicht geschadet, dass die Regisseure mit den Jahren interessanter wurden, man denke an Roger Spottiswoode, Michael Apted und Lee Tamahori. Und mit Sam Mendes bekam es eine ganz neue Verve. Bei ihm hatte man den Eindruck, er verfolge einen veritablen Masterplan für Bonds Herkunft und Bestimmung. Im Grunde war mit „Spectre“ ja Craigs Interpretation schon aus erzählt. Ich bin dennoch gespannt, wie sich das Ganze unter Cary Fukanagas Ägide weiterentwickelt. Er taugt, das hat „True Detective“ gezeigt, zu einem exzellenten Treuhänder von ausbaufähigen narrativen Visionen.

Worin diese besteht, ist derzeit noch erfreulich offen. Es heißt, der Plot kreise um den Missbrauch von Gentechnik. Die Zukunft war bislang immer eine lässliche Crux dieses Franchise'. In der Regel war sie ein Gimmick, eine modische, technische Spielerei (zumal, wenn Lewis Gilbert Regie führte). Die Ballung medialer Macht aus „Der Morgen stirbt nie“ wäre heute nicht mehr konkurrenzfähig. Aber mit „Ein Quantum Trost“ und „Spectre“ trat nachhaltig ein gewisser globalisierter Ernst auf den Plan. Ich glaube zwar nicht, dass der Brexit über das weitere Wohl und Wehe der Bond-Saga entscheiden wird. Aber stellen muss sie sich ihm schon. Es ist abzusehen, dass er der britischen Filmindustrie und dem Produktionsstandort erhebliche Probleme bescheren wird.

Möglicherweise führt er Bond ja zu seinen Ursprüngen zurück. In den 1950er Jahren tröstete der Handlungsradius von Flemings Romanen nicht nur über den Verlust der britischen Kolonien hinweg. Bond war zunächst tatsächlich ein Phänomen der Entbehrung. Die Leser waren fasziniert von der topographischen, erotischen und vor allem kulinarischen Freizügigkeit, die sein Autor ihm gestattete. Angesichts der Austerität, die Ökonomen dem Vereinigten Königreich nun in Aussicht stellen, könnte Bond 26ff archaische Sehnsüchte schüren. Ich glaube, deshalb mag ich die Fotos so, auf denen Craig mit Prinz Charles zu sehen ist: Da begegnen sich zwei relevante Anachronismen auf Augenhöhe.

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