Patriot Games

Für die »Atlanta Falcons« und die »New England Patriots« steht heute Abend eine Menge auf dem Spiel. Der für seine überragenden Pässe berühmte Quarterback Matt Ryan will die Falken zum krönenden Abschluss einer präzedenzlos erfolgreichen Saison führen. Eric Brady, sein Widersacher aus Neuengland, wird im Gegenzug alles daran setzen, einen persönlichen Rekord aufzustellen: Im NRG Stadium in Houston könnte er seinen fünften Sieg mit den Patrioten erringen.

Der Super Bowl ist aber nicht nur der Olymp des American Football, sondern auch der Werbeindustrie. Die Veranstalter rechnen mit einer Milliarde Fernsehzuschauern weltweit. Im Ausland werden in den Werbepausen natürlich andere Clips ausgestrahlt als in den USA. Aber die 43 Unternehmen, die in diesem Jahr einen Sendeplatz ergattert haben, schätzen die Durchschlagskraft auf dem eigenen Markt so hoch ein, dass sie bereit sind, bis zu fünf Millionen Euro für 30 Sekunden zu zahlen. Traditionell sind es vor allem Auto-Hersteller und Brauereien, die hier ihre Produkte bewerben, aber natürlich sind auch Internet-Unternehmen und Fast-Food-Konzerne vertreten (für die es eigentlich schon zu spät sein müsste, denn versierte Super-Bowl-Zuschauer haben sich längst mit Guacamole, Chips und Bier versorgt).

Bei 30 derart teuren Sekunden kommt es natürlich auf jede einzelne an. Da holt man sich die besten Leute und klingende Namen. Die Super Bowl Commercials sind ein eigenes Genre geworden. Gestern gab es bei »Saturday Night Live« sogar eine witzige Parodie auf diesen Wirbel, in der sich Vanessa Bayer in die Schwester eines Football-Fans (Kristen Stewart) verliebt. Ein Clip, der heute laufen wird, ist herrlich selbstbezüglich: In ihm verwandelt sich ein überforderter Willem Dafoe dank eines Schokoriegels in eine vielversprechendere Werbeikone, in Marylin Monroe auf dem legendären Subway-Lüftungsschacht aus »Das verflixte siebte Jahr«.

Den Commercials sind eigene Websites mit diversen Besten-Listen gewidmet. Eine von ihnen nennt die berühmtesten Regisseure, die sich schon in dieser Disziplin versucht haben. Ridley Scott und sein Sohn Jake sind da Wiederholungstäter. Nun sind auch die Coen-Brüder erstmals vertreten. Sie werben für einen deutschen Automobilhersteller (die Verträge wurden wohl vor Trumps Drohung vor erklecklichen Einfuhrzöllen geschlossen), allerdings mit dem Kniff, dass der Clip in der Stammkneipe von Bikern spielt, die zwar in die Jahre gekommen sind, aber immer noch gern »Born to be Wild« hören. Den Auftakt-Gag mit der Jukebox fand ich hübsch, die Schlusspointe eher vorhersehbar. In 30 Sekunden alles zu geben, bedeutet nicht immer, dass dies auch das beste ist. Im Netz kursieren die meisten Clips übrigens noch in Langfassungen von über 60 Sekunden. Das sind gleichsam die Director's Cuts, während es bei der Übertragung heute Abend bestimmt knapper zugeht.

Bei einem so hochkarätigen Ereignis steht auch das Selbstbild Amerikas auf dem Prüfstand. Erinnern wir uns nur an den umstrittenen »It's half-time in America«-Spot mit Clint Eastwood, den David Gordon Green gedreht hat. In diesem Jahr wird es unverfänglicher, wie mir scheint. Der Spot einer berühmten, für das Gelingen jedes Super-Bowl-Abends unumgänglichen Brauerei allerdings wird der Ruf der USA als Einwanderungsland hinterfragt. Er erzählt von den Schwierigkeiten und Anfeindungen, die ihr Gründer Adolphus Busch in der neuen Heimat zu gewärtigen hatte. »Go back home« wird ihm mit einem xenophoben Ingrimm geraten, der an die missbilligenden Blicke der Südstaatler in »Loving« erinnert. Bemerkenswert oft geht es um die Anstrengungen, die der amerikanische Traum fordert. Aufgeben ist nicht erlaubt. Ein mir bisher unbekanntes Internet-Start-up zeigt gleich in Serie, wie die Restaurants eines verträumten Chefkochs regelmäßig von Jason Statham und Gal Gadot verwüstet werden, er aber immer wieder eine neue Geschäftsidee hat. Melissa McCarthy wiederum brilliert als unverwüstliche Öko-Aktivistin in dem Spot eines südkoreanischen Autokonzerns. Mit munterem Elan versucht sie, die Klimakatastrophe abzuwenden. Keine Spur von »America first«. Wir dürfen gespannt sein auf die Tweets, die der US-Präsident heute Nacht verschickt.

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