Spielverderber

Die Fußballbegeisterung vieler Kollegen ist mir ein Rätsel. Es harrt seit Jahrzehnten seiner Klärung. Diese zweifache Leidenschaft scheint mir ein vorrangig deutsches Phänomen zu sein; von französischen Filmkritikern ist mir jedenfalls nicht bekannt, dass sie davon infiziert wären (für Briten, Italiener, Spanier, Portugiesen, Ungarn und Brasilianer kann ich mangels einschlägigen Austauschs nicht bürgen). in hiesigen Filmkritikerkreisen treibt die Fussballbegeisterung jedenfalls interessante Blüten. Einige Berliner Kollegen haben eine Dauerkarte für Hertha-Spiele, zu denen sie sich gern auch mit gleichgesinnten Regisseuren verabreden; ein ehemaliger Redakteur redigiert nun die Sportseiten einer überregionalen Tageszeitung; die Spur eines vor geraumer Zeit verschütt gegangenen Autors fand sich auf der Seite von „11 Freunde“ wieder. Wolfgang Petersen schließlich erzählte mir einmal, er und Roland Emmerich würden die Kinostarts ihrer Blockbuster so terminieren, dass sie außerhalb der Reichweite von Europa- und Weltmeisterschaften liegen.

Meine Versuche, mir einen Reim auf diese Parallelbegeisterung zu machen, bleiben in Anfängen stecken: Natürlich sind mir die dramaturgischen Analogien bewusst: Beides dauert 90 Minuten zuzüglich verdrießlicher Verlängerungen; es gibt dramatische Wendungen, die zumal gegen Schluss für Spannung sorgen. Weiter bin ich noch nicht gekommen. Vielleicht liegt es daran, dass ich als Homo ludens wenig Begabung und Ambition vorweisen kann (auch für Doppelkopf-Runden bin ich nicht zu haben). Während ich mich nun also auf ruhige Wochen einstelle, gehen meine Überlegungen noch in eine andere Richtung. Mit beträchtlicher Schadenfreude verfolge ich Zeitungsmeldungen über Bestechlichkeit und sonstige dunkle Machenschaften innerhalb der Fifa. Beim Anblick von Sepp Blatter und seinen Spießgesellen regt sich in mir wohlige Empörung. Dass der Verband Milliardengewinne auf dem Rücken der brasilianischen Volkswirtschaft einstreichen wird, ist skandalös.

Meine Vorbehalte sah ich bestätigt, als ich vor ein paar Tagen im britischen „Independent“ einen Artikel über den Fotografen Luca Zanier las, der sich Zugang verschaffen konnte zu politischen und wirtschaftlichen Machtzentralen. Seine Aufnahme des Konferenzraums der Fifa in Zürich ist ungeheuerlich. (http://www.zanier.ch/free_projects/corridors_of_power#img22) Sie zeigt den bei weitem finstersten Ort, den er für seine Serie „Corridors of Power“ erkundete. Die Anmutung des Raums ist eine der dämmrig prunkenden, verschwörerischen Machtenfaltung. Transparenz und Öffnung sind nicht vorgesehen. Hier tagt eine moderne Kolonialmacht, die keine sozialen und ökologischen Rücksichten nimmt.

Ich weiß nicht, welcher Architekt den gespenstischen Konferenzraum entworfen hat. Aber ich bin sicher, er hat Maß genommen an den Räumen der Macht, die Ken Adam für die Bond-Filme gestaltet hat. Sie sind klaustrophobisch in ihrer Geräumigkeit, brauchen keine Anbindung an die Außenwelt, deren uneingeschränkte Kontrolle sie anstreben. Seine Ähnlichkeit mit dem war room aus „Dr. Seltsam“ ist frappierend, es scheint, als habe er die Lichtsetzung detailgenau kopiert. Sir Ken sollte vielleicht eine Plagiatsklage einreichen. Ich bin sicher, dass es bei der Fifa nicht so lustig zugeht wie bei Peter Sellers & Co. Dass hier Dunkelmänner Verheerendes mit globalen Konsequenzen aushecken, daran jedoch habe ich keinen Zweifel.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt