Starzplay: »Becoming Elizabeth«

»Becoming Elizabeth« (Serie, 2022). © Starzplay

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Disruption bei Hofe

Januar 1547. König Henry VIII. ist tot. Seine Tochter Elizabeth aus der Ehe mit Anne Boleyn ist zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt. Während ihr Halbbruder Edward (Oliver Zetterström) mit nur neun Jahren zum neuen König gekrönt wird, muss sie sich bald nicht nur der sexuellen Übergriffe des deutlich älteren Thomas Seymour (Tom Cullen) erwehren, sondern auch gegen allerlei Intrigen ihren Platz in der englischen Monarchie erkämpfen. 

Diese Jugendjahre erzählt der sehenswerte Achtteiler »Becoming Elizabeth« (ab 12. Juni auf Starzplay) als Balanceakt zwischen Historiendrama und aktuellen Bezügen. Vor allem die toxische Situation am englischen Hof nimmt die erste eigene Serie der 1991 geborenen Britin Anya Reiss mit entschlossen heutigem, für Machtstrukturen und Missbräuche sensibilisiertem Gespür in den Blick. Reiss wurde in jungen Jahren mit eigenen Bühnenstücken als Theaterwunderkind gefeiert, bevor sie zum Fernsehen wechselte. Sie erzählt Eliza­beths Heranwachsen als Geschichte der Selbstbehauptung einer jungen Frau, die sich früh als kluger und rhetorisch gewandter Geist entpuppt, bevor sie Jahre später zur prägenden Regentin von England wird. 

Die Ära mit ihren Umwälzungen und religiösen Konflikten nimmt die Serie dabei ebenso ernst wie die handelnden Figuren, ein erstaunlich erfrischender Ansatz nach einer Welle spekulativer und ahistorischer Produktionen wie »The Great« oder »Bridgerton« mit ihrem bisweilen zwanghaft ironisch klingenden Tonfall. Bei dem deutlich seriöseren »Becoming Elizabeth« wurde auch in Kostümen und Ausstattung viel Wert auf authentische Anmutung gelegt. Gedreht wurde an Locations wie dem Cardiff Castle in Wales, zu großen Teilen mit natürlichen Lichtquellen, oft sind ein paar Kerzen das Einzige, was das Dunkel der höfischen Innenräume erhellt. Noch dramatischer entfaltet sich so das gleißende Tageslicht, das durch die Vorhänge strahlt und dabei eine Außenwelt repräsentiert, die das Klaustrophobische dieser Szenen verstärkt. Statisch wirkt »Becoming Elizabeth« deswegen keineswegs, visuell nimmt sich Bildgestalter Adolpho Veloso in den von ihm fotografierten ersten drei Episoden Freiheiten mit einer Handkamera, die mit ungewöhnlichen Blickwinkeln, extremen Nahaufnahmen und Reißschwenks die disruptiven Verhältnisse am englischen Hof dramatisch einfängt. Wie ein Verfremdungseffekt wirkt dabei auch der moderne Score von Tim Phillips, der dem Historiendrama das Museale nimmt und einen deutlichen Bezug zur Gegenwart herstellt. 

Bemerkenswert ist nicht zuletzt die Besetzung der Titelrolle mit der 28-jährigen gebürtigen Münchenerin Alicia von Rittberg, die hierzulande durch den Mehrteiler »Charité« bekannt wurde, international aber ein noch unbeschriebenes Blatt ist. In »Becoming Elizabeth« behauptet sie sich derart mühelos als Teil des durchgehend britischen Ensembles, auch sprachlich, dass sie, wie die von ihr verkörperte zukünftige Königin, am Beginn eines bemerkenswerten Aufstiegs stehen dürfte.

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