Starzplay: »The Great« Staffel 2

»The Great« (Staffel 2, 2021). © Starzplay/Gareth Gatrell/Hulu

© Starzplay/Gareth Gatrell/Hulu

Die Bärenflüsterin

Historische Faktenhuberei sollte man auch bei der zweiten Staffel der Serie »The Great« gleich vom Tisch räumen, war es ja gerade der frech-freie Umgang mit der Lebensgeschichte von Katharina der Großen, der dieser Serie im Sommer 2020 so viele Fans bescherte. Die ersten zehn Folgen erzählten mit süffisanter Übertreibung von der Ankunft der jungen Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst (Elle Fanning) im Russland des Jahres 1744, wo sie als deutsche Katalogbraut mit Zar Peter III. (Nicholas Hoult) vermählt wurde. Am Ende der flott satirisch inszenierten Staffel ist die ebenso ehrgeizige wie unterschätzte Prinzessin nicht nur schwanger, sondern hat nach einem Staatsstreich ihren Gatten entmachtet und ist nun auf dem besten Weg, als erste Frau den russischen Thron zu besteigen. Nicht aus reinem Machtwillen wie die größtenteils präpotenten und dumm-aggressiven Männer um sie herum, sondern weil sie tatsächlich das Land reformieren und gesellschaftlichen Fortschritt will.

Katharina aber heißt hier Catherine, sie spricht wie alle Figuren britisches Englisch, in dem regelmäßig sehr heutig geflucht wird, wie generell das Geschehen Mitte des 18. Jahrhunderts mit dem Blick des 21. betrachtet wird. Die Serie trägt ihre lockere Auffassung als »eine gelegentlich wahre Geschichte« eher stolz als warnend bereits im Untertitel. Sie spielt mit Klischees, lässt Catherine im Wald mit dem russischen Bären sprechen, nebenbei den Molotowcocktail erfinden, und ähnliche mal mehr, mal weniger zündende Scherze. Der ahistorische Ansatz und der schräge Humor erinnern nicht von ungefähr an Giorgos Lanthimos' »The Favourite«, dessen oscarprämierter Drehbuchautor Tony McNamara auch Schöpfer dieser Serie ist.

In der zweiten Staffel ziehen sowohl das Tempo als auch der Wahnsinn des Geschehens an. Nach vollzogener Krönung, bei der sich Catherine selbst den Beinamen »The Great« gibt, hat sie es mit ihren Reformen eilig, ihre Position ist im Grunde nur bis zur Geburt des Sohnes sicher. Dabei stößt sie schnell auf Widerstand an allen Fronten, bei den Provinzfürsten, die sich von einer Frau, einer deutschen noch dazu, nichts sagen lassen wollen und aus Protest schon mal in den zaristischen Saal urinieren. Aber auch die Hofdamen weigern sich, ihre Töchter in griechischer und französischer Philosophie unterrichten lassen; sie könnten zu eigensinnig werden. Mit dem Erlass der Religionsfreiheit bringt sie den Patriarchen der orthodoxen Kirche gegen sich auf, und auch auf ihr Trio Verbündeter, den progressiven Orlo (dem realen Grigori Orlow entlehnt), einen sauf- und kriegswütigen General und ihre Ex-Kammerzofe mit eigener Agenda, ist nicht so Verlass wie erwünscht. Und derweil tobt Peter im Hausarrest. So bleibt »The Great«, zumindest in den drei vorab zu sehenden Episoden, ein herrlich scharfzüngiges Vergnügen über präfeministische Selbstbehauptung angesichts höfischer Dekadenz und toxischer Männerbünde.

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