Mediathek: »Der Palast«

»Der Palast« (Miniserie, 2021). © ZDF/Julia Terjung

© ZDF/Julia Terjung

Phantome der Seifenoper

Die Geschichte des Berliner Revuetheaters Friedrichstadt-Palast reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Das ursprüngliche Haus erlebte Monarchie, Republik, Nationalsozialismus, SED-Herrschaft. Seit 1984 gibt es den unter Denkmalschutz gestellten Neubau. Das ZDF hat das imposante Theater zum Schauplatz eines Dreiteilers gemacht, der angesichts einer thematisch so ergiebigen Vergangenheit enttäuschen muss.

1961 lebt Roland Wenninger, der aus der Bamberger Provinz nach Berlin geflohen war, mit Rosa Steffen in Ostberlin. Die beiden haben zwei Töchter, Christine und Marlene, Zwillinge. Der Mauerbau ist absehbar. Roland will weg, Rosa bleiben. Nächtens macht er sich mit einem der Mädchen davon.

Marlene wächst im Westen auf, Christine, genannt Chris, im Osten. Beide wissen nichts voneinander, bis die Unternehmertochter Marlene in Ostberlin mit DDR-Fabrikanten verhandelt und abends in den Friedrichstadt-Palast eingeladen wird. In einer der Tänzerinnen entdeckt sie ihr Ebenbild. Marlene sucht deren Bekanntschaft. Sie stellen später ihre Eltern zur Rede, erfahren die Vorgeschichte. Marlene reist häufiger nach Berlin. Sie leiht Chris ihren Reisepass, die auf diese Weise in den Westen kann. Beide verlieben sich jeweils auf der anderen Seite der Grenze.

Die Idee, Zwillinge in Ost und West anzusiedeln, ist nicht neu. Götz George spielte ab 1989 die deutsch-deutschen Zwillinge »Schulz & Schulz«. 2004 wurde Tobias Schenke in »Neuruppin Forever« zum verkappten Grenzgänger. »Der Palast« führt nun in das Ostberliner Show- und ins westdeutsche Unternehmermilieu des Jahres 1988. Eine tolle Kulisse, bis ins Kleinste sorgfältig ausgestattet, mit guten darstellerischen Leistungen.

All das hilft aber nicht, die vielen Unglaubwürdigkeiten zu überspielen. Marlene arbeitet als leitende Informatikerin im väterlichen Unternehmen, gibt sich zurückhaltend, aber selbstsicher. Das Drehbuch schreibt ihr – wenig überzeugend – eine linke, kapitalismuskritische Haltung zu. Chris im Osten ist Tänzerin, lebenslustig, fröhlich, alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter.

Für Chris gibt es im Westen kaum Probleme. Wenn Marlene aber als Chris im Osten agiert, kommt es zu Unstimmigkeiten. Chris, in diesem Fall Marlene, soll vor einem neuen Choreographen vortanzen. Zu schwach gerät der Drehbuchkniff, mit dem Marlene sich aus der Situation herauswindet. Anders als die echte Chris spricht sie in perfektem Englisch mit dem britischen Choreographen. Das Umfeld wundert sich, mehr nicht.

Der Dreiteiler hat seine Momente, wenn Chris' ostdeutsche Familie über Ideale und Wirklichkeit reflektiert. Die Mutter und der Großvater hatten Hoffnungen in ihren Staat gesetzt, waren ihm bis zu einem gewissen Maße treu. Keine Mitläufer, sondern Menschen, die eine gerechte, lebenswerte Gesellschaft aufbauen wollten. Da blitzt auf, was eine solche Produktion hätte leisten können. Herausgekommen ist nur eine Seifenoper de luxe. Eine verpasste Chance.

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