Streaming-Tipp: »The Undoing«

»The Undoing« (Miniserie, 2020). © HBO/Sky

»The Undoing« (Miniserie, 2020). © HBO/Sky

Auflösung inbegriffen

Es passiert ja häufiger mal, dass jemand sein Handy zu Hause vergisst. Doch im Falle von Jonathan Fraser (Hugh Grant) sieht die Sache nicht ganz so harmlos aus: »Er hat sein Telefon nicht einfach nur liegen gelassen. Er hat sichergestellt, dass er nicht erreichbar ist.«

Wenn am Anfang alles geradezu märchenhaft gut und ordentlich sortiert aussieht, ist es in der Regel nur eine Frage der Zeit, bis die Fassade bröckelt, denn schließlich gäbe es sonst ja nichts zu erzählen, das sechs Folgen einer Miniserie tragen könnte. Grace Fraser (Nicole Kidman) ist Psychotherapeutin, ihr Mann Jonathan Arzt in der Kinderkrebsstation, sie haben einen noch relativ kleinen Sohn, der auf eine renommierte Privatschule geht, und scheinen einander auch nach vielen Jahren Ehe noch liebevoll zugetan. Jonathan hat zwar keine große Lust, abends mit Grace bei einem Fundraiser zu erscheinen, tut es aber mit ein paar sarkastischen Bemerkungen auf den Lippen doch.

Die Katastrophe bahnt sich wie aus der Ferne an, kriecht langsam, aber stetig in die heile Welt von Grace, zunächst in Form kleiner Irritationen. Da ist die neue junge Mutter Elena Alves (Matilda De Angelis) in der Schule, die ein bisschen zu lasziv auftritt, allein schon wie sie jede Gelegenheit nutzt, ihren perfekt gerundeten Körper zur Schau zu stellen, ihr kleines Baby vor den konsternierten Frauen stillt, wie sie die Nähe von Grace sucht und sich im Schwimmbad provokant hüllenlos vor ihr aufbaut. Zugleich wirkt sie aber auch verstört und fragil. Als sie am nächsten Tag bestialisch ermordet in ihrem Atelier gefunden wird, ist das ein Schock für die Schule und die ganze Stadt. Die Routinefragen der ermittelnden Polizisten werden zunehmend aggressiver, als klar wird, dass Jonathan – den Hugh Grant mit einer leicht verlebten und zweideutigen Version seines jugendlichen Charmes ausstattet – spurlos verschwunden ist.

Schöne, erfolgreiche Frauen und ihre Männer und Kinder an einem mondänen Wohnort, der plötzlich von einem Verbrechen erschüttert wird: Das war bereits das Personal und das Setting der erfolgreichen Miniserie »Big Little Lies«. David E. Kelley, der hier zusammen mit Nicole Kidman als Star und Koproduzentin auf dem Erfolg von damals aufbaut, ist schon seit den späten 80er Jahren eine feste Größe im Seriengeschäft, mit Beteiligungen unter anderem an Serien wie »Ally McBeal«, »Practice: Die Anwälte«. Basierend auf dem 2014 veröffentlichten Roman »You Should Have Known« von Jean Hanff Korelitz kann er auch hier sein Faible für Dialoggefechte ausspielen.

Regisseurin Susanne Bier, die in »Night Manager« eine furiose Agententhriller-Miniserie entfaltet hat, bewegt sich hier wieder auf den vertrauten Pfaden familiärer Eruptionen. Und der Kameramann Anthony Dod Mantle hilft beim Schüren einer Atmosphäre der Unsicherheit und des Zweifels.

Als der Druck von außen zusammen mit der inneren Unruhe immer stärker wird, beginnt Grace ihre eigenen Nachforschungen anzustellen und muss zusehen, wie das Gebäude ihres Lebens von innen erodiert. Wer ist der Vater von Elenas Baby? Hat sie ihr Mann Fernando (Ismael Cruz Cordova) aus Eifersucht umgebracht? Haben Jonathan und ihr eigener Vater hinter ihrem Rücken finanzielle Vereinbarungen getroffen? Ist sie am Ende selbst verdächtig?

Je unsicherer Grace wird, desto mehr weichen die kraftvollen Farben aus ihrer Garderobe, statt Bordeauxrot und Olivgrün gibt es eine Weile nur Beige- und Grautöne. Sie ringt um einen Rest von Vertrauen und Urteilsvermögen. Irgendwann ist klar, sie wurde betrogen, aber heißt das auch, dass ihr Mann der Mörder ist? Als ihr Vater spielt Donald Sutherland einen weiteren, wohlwollend weisen Patriarchen, der nur das Beste für seine Tochter will und doch fatale Fehler begeht. Und jede neue Wendung bringt nur weitere flüchtige Schichten der Wahrheit hervor.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich konnte bis zur 5. Folge alles Positive Ihrer Autorin über "Undoing" unterschreiben. Allerdings bin ich nach der Schlussepisode enttäuscht, vielmehr sogar entsetzt über die Auflösung. Nachdem in den ersten Folgen so viele intelligente Fäden in alle möglichen Richtungen gesponnen und ein entlarvender Blick auf die superreiche Upper Class Manhattans geworfen wurde, endet die Serie mit der Restitution der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Emporkömmling wird überführt, der Vater hat es schon immer gewusst und die Reichen sind am Ende wieder unter sich. Die vielen Fäden verlieren sich im Nichts. Ein fragwürdiges, fast schon reaktionäres Ende.

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