DVD-Tipp: Andreas Voigts Leipzig Filme 1986 - 1997

Andreas Voigts Leipzig Filme 1986 - 1997

Alltag in der DDR

Seherlebnisse

Als Andreas Voigt mit seinem sechsten Leipzig-Film Alles andere zeigt die Zeit das letztjährige DOK Leipzig eröffnete, war dies in mehrfacher Hinsicht ein Glücksgriff. Voigt, der noch aus dem DEFA-Studio für Dokumentarfilme stammt, hat sich einen Blick für Menschen, für Arbeit und soziale Veränderungen bewahrt. Er erzählt in diesem Film von ganz anderen Ostbiografien, die ebenso wenig in den so unkritischen Vereinigungsjubel passen wie in die Verharmlosung der DDR oder die ostalgischen Unterhaltungsshows des MDR. Viele seiner Interviewpartner hat Andreas Voigt schon in seinen ersten fünf Leipzig-Filmen beobachtet, die nun in einer DVD-Box erschienen sind.

Voigts filmische Beobachtungen beginnen 1986 mit seinem Diplomfilm »Alfred«. Während sein Debüt noch einen Kommunisten porträtiert – wenn auch einen Unangepassten –, mit dem damals fast obligatorischen Offkommentar ausgestattet ist und in Farbe realisiert wurde, löst sich Voigt zunehmend inhaltlich und formal von der DEFA-Dokumentarfilmtradition. Seine folgenden drei Filme sind in Schwarz-Weiß und brillante filmische Beobachtungen aus einer Großstadt in der DDR, die in der Wendezeit viele Bürger in Richtung Westen verliert. Besonders spannend ist »Leipzig im Herbst« (1989), der die Montagsdemos und ihre Protagonisten in den Mittelpunkt rückt. Da sind die mutig gewordenen Demonstranten, verunsicherte junge Wehrpflichtige, Kirchenvertreter und sture Parteisoldaten der Polizei und der SED. Die Illusion, einen »besseren Sozialismus« zu schaffen, eine wahre demokratische Gesellschaft im Osten Deutschlands aufzubauen, wird schon im ersten abendfüllenden Dokumentarfilm »Letztes Jahr Titanic« von 1990/1991 ad absurdum geführt. Viele wollen auch deshalb in den Westen, weil man in DM den doppelten bis dreifachen Lohn bekommen kann. Im aktuellen politischen Kontext sollte man also diese deutschen »Wirtschaftsflüchtlinge« nicht vergessen. 

Es sind die poetischen Totalen in den Arbeiterbezirken, die Güterzüge und Kamerafahrten aus Zügen, die Voigts Filme zu Seherlebnissen machen. Wer wissen möchte, wie sich die DDR auch anfühlte, wie etwa Pferdewagen noch 1986 an das industrielle Zeitalter des 19. Jahrhunderts erinnerten, dem sei diese DVD-Box empfohlen.




»Leipzig-Filme 1986 – 1997« R: Andreas Voigt.
»Alfred« | »Leipzig im Herbst« | »Letztes Jahr Titanic« | »Glaube Liebe Hoffnung« | »Große Weite Welt«.
Anbieter: absolut medien.

Bestellmöglichkeit (DVD)

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