Filmmusik: Und es hat Braaams gemacht!

»Score – Eine Geschichte der Filmmusik« (2017). © NFP

»Score – Eine Geschichte der Filmmusik« (2017). © NFP

Klingt doch alles gleich ... ­Hollywoods Filmmusik steht in der ­Kritik. Stumpfe ­Ton-Cluster und Sampling-­Soßen ­begleiten den schleichenden ­Niedergang ­einer einst ­vielseitigen ­Kunstform. ­

Ein gigantischer Lichtstrahl durchbricht den Himmel über der Stadt. Menschen rennen in Panik, Gebäude stürzen ein, seltsame Kreaturen durchschwärmen die Straßen. Nicht mehr lang, und die Welt ist hin. Untermalt werden die hektischen Untergangsbilder von einem dröhnenden Soundtrack: Dynamische Streicher pulsieren in wiederholenden Rhythmusfiguren, durchstochen von scheppernden Blechbläserakkorden. Ein voluminöser Chor betont die Dramatik des Untergangsszenarios, während ein auf Krawall gebürstetes Schlagwerk sich mit dem lärmenden Sounddesign zu einer synthetischen Kakophonie verbrüdert. So klingt die Blaupause für den Showdown jedes zweiten Blockbusterfilms, zu Hauf gehört und gesehen in den Franchise-Filmen der letzten zehn Jahre wie »Suicide Squad«, »Ghostbusters«, »Thor 2«, »The Avengers« oder dem x-ten »Transformers«-Teil.

Unoriginell, generisch, aussagelos. Populäre Filmmusiken stehen in einem ähnlich schlechten Ruf wie die bildgewaltigen Kinoproduktionen, die sie begleiten. Konsens der Kritik ist folgender Vorwurf: Hollywood produziert den immergleichen Sommer-Action-Fantasy-Abenteuer-Franchise-Blockbuster im wechselnden Gewand, ein formelhaftes Eventkino mit austauschbaren Versatzstücken. Dabei sind Ostinato-Streicher ein ebenso allfälliges Klischee wie der unverzichtbare Himmelsstrahl im dritten Akt. Doch woher kommt dieses schale Gefühl, dass im Blockbusterkino neuerdings alles gleich klingt? Dafür gibt es viele Gründe, stilistische, technologische wie  medienökonomische, die sich jedoch allesamt um den gleichen Fixpunkt drehen: Hans Zimmer.

Der Fluch des Synthesizers

Seit den 1990er Jahren ist Hollywoods Actionsound geprägt vom Schaffen des in Frankfurt am Main geborenen Komponisten. Mit seinen Samplern und Synthesizern veränderte Zimmer die Welt der Filmmusik. In Scores zu Filmen wie »Black Rain« oder »Crimson Tide« zerlegte er orchestrale und elektronische Klänge in ihre Bausteine und setzte sie auf effektvolle Weise wieder zusammen. Beim Ergebnis lässt sich nicht mehr zwischen synthetischer und »echter« Musik unterscheiden. Zimmers innovative Kompositionsweise wurde zur normgebenden Konvention. Viele Komponisten imitierten seinen Stil oder arbeiteten eng mit ihm über seine selbst gegründete Postproduktionsfirma Media Venture (später Remote Control Productions) zusammen. »Fluch der Karibik«, »Iron Man«, »Gladiator«, »Transformers«, Christopher Nolans »Dark Knight«-Trilogie und die »Shrek«-Reihe – viele der größten Blockbuster des 21. Jahrhunderts wurden von Zimmers Firma vertont. Dafür arbeitete er intensiv mit einer Reihe von jungen Komponisten zusammen, die bei ihm das Handwerk lernten und seinen Sound in ihren eigenen Scores weiterentwickelten und verbreiteten.

Zur langen Liste der Zimmer-Zöglinge zählen neben den ebenfalls deutschstämmigen Komponisten Klaus Badelt (»Fluch der Karibik«), Marc Streitenfeld (»Prometheus«) und Ramin Djawadi (»Game of Thrones«) die Engländer Harry Gregson-Williams (»Die Chroniken von Narnia«), John Powell (»Die Bourne Identität«) und Henry Jackman (»The First Avenger: Civil War«), der aus den Niederlanden kommende Tom Holkenborg alias Junkie XL (»Mad Max: Fury Road«) und natürlich der Michael-Bay-Kollaborateur Steve Jablonsky (»Transformers«).

»Er spielt die Streicher, als wären es Gitarren«, beurteilt John Debney die unorthodoxe Rockattitüde seines Komponistenkollegen. Tatsächlich gehört Zimmer zu einer Riege von Filmkomponisten, die ohne klassische Musikausbildung ihren Weg zur Filmmusik gefunden haben: Bandmusiker wie Danny Elfman, Carter Burwell oder in jüngerer Zeit Trent Reznor und Atticus Ross, die durch einen intuitiven Zugang dem Kino neue Klangwelten erschlossen. Ihre Filmmusik entsteht nicht mehr am Klavier, sondern im Tonstudio. Stand der Score früher noch im erbitterten Konkurrenzkampf mit Dialog und Filmton, so verbindet sich bei Zimmer Soundtrack und Sounddesign zu einem Hörerlebnis. Hollywoodfilme werden also nicht nur größer und länger, sondern vor allem lauter. Von Klängen umzingelt steht der Kinozuschauer in der 5.1-Arena unter tonalem Dauerbeschuss. »Inception« ist das beste Beispiel dafür, wie weit die Symbiose aus Tontechnik und Musikkomposition gehen kann. Grundlage des Soundtracks ist der Edith-Piaf-Song »Non, je ne regrette rien«, der im Film große Bedeutung für den Eintritt in verschiedene Traum- und Zeitebenen hat. Durch die Verlangsamung und Teilung des Songtempos sowie eine Reihe elektronischer Spie­lerei­en verzerrte Zimmer das Lied derart, bis die gewünschte Tonalität mitsamt dem berühmten BRAAAMS-Sound entstand.

Wir nehmen die Demoversion

Zimmers Stil ist untrennbar mit den Entwicklungen der Musiktechnologie verbunden. Die Möglichkeit, Musik mit Hilfe von Sequenzern und entsprechenden Softwares wie ProTools, Diva oder Zebra aufzunehmen, digital zu speichern und zu bearbeiten, erleichterte zwar die Kombination von Livemusik und synthetischen Klängen. Allerdings lassen sich nicht alle Instrumente gleich gut digital reproduzieren. Percussion, rhythmische Streicher und stechende Bläser eignen sich hervorragend zum Sampeln, sie gehören zu Zimmers bevorzugten Instrumenten. Das langsame und melodiöse Spiel auf einer Geige dagegen klingt gesampelt sehr artifiziell. Das hat weitreichende Folgen für den Kompositionsprozess moderner Film­scores. Spielte früher ein Komponist wie John Williams seine Musik dem Regisseur zur Anschauung auf dem Klavier vor, erstellen heute Komponisten digitale Demoversionen, sogenannte Mock-ups. Diese werden ausschließlich durch Samples angefertigt, um einen Eindruck von der späteren Orchesteraufnahme zu vermitteln, in der die elektronischen Klänge durch echte Instrumente ersetzt werden. Mittlerweile haben sich Produzenten und Regisseure jedoch so sehr an die hohe Qualität der Mock-ups gewöhnt, dass sie von den Komponisten bereits eine perfekte Demoversion verlangen, die sich nur noch gering vom fertigen Produkt unterscheiden soll. Entsprechend tendieren viele Komponisten mehr zu musikalischen Texturen, die sich aus denselben Instrumenten zusammensetzen, als zu starken Melodien und nuancierter Orchestrierung.

Neben der Technologie ist es aber auch die Produktionslogik großbudgetierter Filme, die Komponisten dazu bringt, auf Tonexperimente zu verzichten. Kehrseite des Multimillionen-Blockbustergeschäfts ist nämlich die finanzielle Abhängigkeit vom Erfolg großer Flagschiffproduktionen, in die sich Filmstudios und Medienkonglomerate begeben. Ein hoher Druck lastet auf dem Produzenten, der ihn weiter auf den Komponisten schiebt. Dieser kommt für gewöhnlich erst an Bord, wenn das Filmprojekt in den letzten Zügen liegt, alles abgedreht und geschnitten ist, die kreativen Kämpfe zwischen Studio und Filmemacher ausgefochten sind und die Nerven blank liegen. Hinzu kommen deutliche Beschränkungen von Zeit und Ressourcen.

Und dann gibt es noch die Kontroverse um die temp tracks (von temporal: zeitweilig, vorläufig). Temp tracks sind musikalische Platzhalter für die noch zu komponierende Filmmusik, die in der Schnittphase und zu ersten Testscreenings verwendet werden. Immer häufiger bleiben Filmemacher an der Temp-Musik hängen, die sie aus anderen Filmscores (nicht selten aus dem Hause Remote Control Productions) zusammengestellt haben und auf deren Rhythmus die Bilder montiert werden. Der temp track ist dann keine musikalische Orientierungshilfe mehr, sondern muss vom Komponisten perfekt imitiert werden. Im Falle von Zack Snyders »300« kam es diesbezüglich zu einer berühmten Klage – weil Filmkomponist Elliot Goldenthal Elemente seine Musik zu Titus beinahe Note für Note im »300«-Score von Tyler Bates wiedergefunden hatte.

Temp tracks, Mock-ups, nervöse Produzenten, finanzielle Risiken und ein extremes Zeitlimit – etwas Bewährtes zu kopieren, ist in vielerlei Hinsicht der sicherste Weg für den Komponisten, um sich aus diesem komplexen Minenfeld der Filmmusikproduktion herauszumanövrieren. Mit dem Resultat, dass Kritiker wie der ­Videoessayist Tony Zhou die mangelnde Ideenfreude zeitgenössischer Blockbusterfilmmusik beklagten. Für seinen Youtube-Channel »Every Frame a Painting« fragte Zhou Passanten, ob sie aus dem Stand die Melodie aus irgendeinen Marvel-Superheldenfilm summen können – und bekam nur ratlose Gesichter. Sein Video »The Marvel Symphonic Universe« legt den Finger auf die Wunde. Die Megaserie um Iron Man, Captain America, Thor und Co. verfügt über keinen distinktiven Musikcharakter. Oft füllt die Musik wie eine Tapete den Hintergrund und paraphrasiert das Gesehene, statt zu polarisieren oder zu kontrastieren. Sie bildet im Stile des Zimmer-Sounds einen wirkungsvollen Underscore zur Bildaction, ohne jedoch beim Zuschauer bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Dabei sind wiedererkennbare Musikthemen ein perfektes Mittel, um das Worldbuilding eines filmischen Erzählkosmos zu stärken, emotionale Bindung zu den Charakteren aufzubauen und hörbare Kontinuität selbst bei wechselnden Komponisten zu wahren. Die einzige wirklich hervorstechende Melodie im Marvel-Kosmos ist das »Avengers«-Thema von Alan Silvestri, das auch von Brian Tyler und Danny Elfman für die »Avengers«-Fortsetzung »Age of Ultron« übernommen wurde. Aber im Vergleich mit Film-Franchises wie »Star Wars«, »Harry Potter«, »Der Herr der Ringe« oder »James Bond« hat das Marvel-Universum viel Potenzial verschenkt.

Der psychedelische Doctor Strange

Klingt also wirklich alles gleich? Erstickt Hollywood in der abgezimmerten Klangsoße? Ganz so schlimm ist es nicht. Tony Zhous Vorwurf ist zu pauschal und trifft nicht auf alle Marvel-Scores zu. Sein Video liegt anderthalb Jahre zurück, seitdem hat sich einiges getan. Neueste Beispiele demonstrieren, dass elektronisch geborene Klangtexturen und markante Melodieführung einander nicht ausschließen. Bei »Doctor Strange« wich Komponist Michael Giacchino vom Marvel-Pfad ab und stattete den mystischen Protagonisten mit einem unverkennbaren psychedelischen Sound aus Orchester, E-Gitarren-Riffs und unirdischen Sitar- und Cembaloklängen aus. Auf der trippigen Pink-Floyd-Klangatmosphäre ruht eine starke Heldenfanfare, die dem Zuschauer selbst nach Ende des Abspanns im Kopf spukt. Auch Mark Mothersbaugh hat sich Zhous Kritik zu Herzen genommen und für »Thor: Tag der Entscheidung« einen hybriden Score aus dramatischem Orchestereinsatz und spaßiger 80er-Disco-Synthie-Mucke geschaffen, der elegant den farbenfrohen Retro-Trash-Look des Films auffängt. Daft Punk hätten es nicht besser machen können.

Nicht nur bei Marvel sind Ausnahmen zu finden, die Hoffnung machen. Hollywoods Blockbustermusik steht in einem steten Wechsel aus Norm und Abweichung. Heute gilt die Musik von John Williams zu George Lucas' Weltraumsaga »Star Wars« als Meilenstein, der die Rückkehr der sinfonischen Filmmusik markierte und den Sound des postklassischen Blockbusterkinos für Jahrzehnte prägte. In den 1970er Jahren war dieser Musikstil jedoch alles andere als zeitgemäß. Williams richtete sich gegen den »Mainstream« des jungen New-Hollywood-Kinos, der einen realistischen, das heißt minimalistischen Ton pflegte. Ebenso trifft Zimmers zur Konvention erstarrter Blockbustersound auf Gegenwehr. Remote Control Productions ist eine Großmacht auf dem Filmmusikmarkt, aber es gibt Alternativen.

Eine heißt Alexandre Desplat. Der französische Komponist mit elegantem Stil und feinem Gespür für Klangfarben und fließende Melodien machte mit »Das Mädchen mit dem Perlenohrring« auf sich aufmerksam und avancierte schnell zum gefragtesten Komponisten Hollywoods. Desplat ist ein Komponist der klassischen Schule, seine Musik setzt ganz auf thematische Strukturen und die richtige Orchestrierung. Imposant bringt er in »Godzilla« den Kinosaal zum Wackeln und schlägt jeden elektronisch gepimpten Action-Score durch den effektvollen Einsatz von Orchester und Chor. In »Harry Potter und die Heiligtümer des Todes« bleibt Desplats Partitur vor allem durch melancholisch-lyrische Passagen wie das Stück »Obliviate« in Erinnerung, das die Schwermut des Erwachsenwerdens eindrücklich nachzeichnet. Ganz andere Töne wiederum sind im bunten Animationsfilm »Pets« mit seinem fetzigen Jazz-Score zu hören.

Meister der latenten Nostalgie

Stilistische Flexibilität und ein weites Klangrepertoire sind heute Grundanforderungen an den Filmkomponisten. Als Geschichtenerzähler braucht er ein feines Gespür, welche Art von Musik das Bild benötigt, um im Zuschauer seine emotionale Wirkung zu entfalten. Dafür muss er vom Film so viel verstehen wie von Musik. Für den kultivierten Cineasten Desplat ist das kein Problem, auch nicht für den Filmbuff Michael Giacchino, der schon als Jugendlicher Super-8-Filme drehte und Filmmusik-Alben sammelte. Seinen Durchbruch feierte er mit Pixars »Die Unglaublichen«, wo er Superhelden-Bravour mit von John Barry inspirierten Big-Band-Jazznummern aus alten Spionagefilmen kombiniert. Seither haucht er großen Franchises wie »Mission: Impossible«, »Star Trek«, »Jurassic Park« oder »Planet der Affen« neues Leben ein, ohne dabei ihre lange Musiktradition zu verraten. Giacchino besitzt die Fähigkeit, sich in den Stil seiner großen Filmmusikidole einzufühlen und aus deren Klangvokabular seine ganz eigene Musiksprache zusammenzusetzen. Bestes Beispiel ist seine Vertonung von »Rogue One: A Star Wars Story«: Selbstbewusst bewegt er sich in Williams' Klangkosmos, zollt ihm Respekt und stellt ihm sein eigenes elaboriertes Themenmaterial zur Seite.

Giacchinos Scores sind von einer latenten Nostalgie durchzogen, in denen die goldenen Zeiten der sinfonischen Filmmusik mit großem Orchestereinsatz und spätromantischer Klangpartitur nachhallen. Dabei fühlt er sich der Williams'schen Abenteuermusik ebenso verpflichtet wie etwa den Klangexperimenten eines Jerry Goldsmith. Vielseitig bewegt er sich in seinem herausragenden Score zu »Planet der Affen: Survival« zwischen avantgardistischer Klangkunst im Geiste von Goldsmiths Originalmusik, galoppierenden Actionpassagen und sanften Klaviermomenten, die in simplen Akkorden die emotionale Komplexität der Charaktere ausdrücken.

Spuren funkiger Gauner-Grooves

Schlüssel für den unverwechselbaren Sound eines Films ist die richtige Instrumentierung. Für Brian Tyler steht das Instrument an erster Stelle: Er nimmt es in die Hand und probiert so lange mit ihm herum, bis er den richtigen Ton für einen Score gefunden hat. Sein Studio steht voll mit allerlei Klangkörpern, die zu spielen er sich selbst beigebracht hat. Er beherrscht über 30 verschiedene Instrumente, darunter Klavier, Schlagzeug, Cello, Gitarre, Bass oder die mandolinenähnliche Bouzouki. Auf den ersten Eindruck folgt die Musik des jungen Komponisten für Blockbuster wie »World ­Invasion: Battle Los Angeles«, »Iron Man 3« oder die »Fast and Furious«-­Reihe dem gewohnten Zimmer-Schema bombastischer Action-Cluster mit pathetischer Machoromantik. Dahinter verstecken sich jedoch feine Nuancen. So hält sich der Einsatz von elektronisch-manipulierten Klängen erstaunlich gering. Tyler schwört auf die Kraft eines voll besetzten sinfonischen Orchesters. Er verabscheut am Computer synthetisierte Samplemusik, die in ihrer technischen Perfektion den menschlichen Faktor vermissen lasse. Also werden alle akustischen Parts analog aufgenommen und digital abgemischt, wobei er nicht wenige Instrumente selbst einspielt. Tyler macht vor, dass selbst dem generischen Blockbuster-Sound mit dem richtigen Fingerspitzengefühl eine ungeahnte Eloquenz abzugewinnen ist. Sein Score für den Überraschungshit »Die Unfassbaren – Now You See Me« durchsetzt die von wabernden Celli und tiefem Blech abhängige Actionmusik der Gegenwart mit Spuren funkiger Gauner-Grooves im Stile Henry Mancinis oder Lalo Schifrins und kann selbst unseren geliebten Ostinato-Streichern neue Akzente entlocken.  

Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen. Trotz technologischer Herausforderungen und ungünstiger Produktionsbedingungen steckt in Hollywoods Filmmusik noch Spielfreude. Note um Note kämpfen Komponisten wie Desplat, Giacchino, Tyler und Kollegen wie James Newton Howard, Thomas Newman und Marco Beltrami gegen den kreativen Niedergang ihrer Branche. All diese Komponisten haben ihre eigene musikalische Integrität gefunden und müssen ihre Ideen im Routinebetrieb durchsetzen. Das gilt selbst für einen wie Hans Zimmer, der sich angesichts seines erdrückenden Vermächtnisses dazu herausgefordert fühlt, sich neu zu erfinden. Während der Arbeiten zu »Sherlock Holmes« lag er deshalb mit den Produzenten des Films im Clinch. Sie wollten seinen alten Sound, er wollte neue Techniken ausprobieren. »Hans, du ruinierst meinen Film!« Ein erstes Testscreening, in dem das Publikum vor allem Zimmers Musik lobte, gab dem Komponisten Recht. Die exzentrische Solovioline durfte bleiben, ebenso die Irish-Punk-Gypsy-Folk-Balkan-Orchester-Begleitung.

Ob Hans Zimmer und Co. die Kunst der Filmvertonung nun retten können oder nicht, erfolgreich sind sie allemal: Filmmusik ist beliebter denn je und hat ihren Platz im Konzertsaal gefunden. 2017 feierte Wien die zehnte Ausgabe seiner international aufgestellten Musikgala »Hollywood in Vienna«, Hans Zimmer eine überaus erfolgreiche Fortsetzung seiner Welttournee und Michael Giacchino seinen 50. Geburtstag in der Royal Albert Hall. Live-to-projection-Konzerte und Filmmusikorchester sprießen wie Pilze aus den Boden und stoßen auf eine gewaltige Resonanz beim Publikum. Das alles lässt hoffen, dass es um die Zukunft der Filmmusik besser bestellt ist, als so manche Blockbuster-Apokalypse glauben lässt.

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