Nachruf: Hark Bohm

Hark Bohm Foto: Tristar Media / Getty Images

Hark Bohm Foto: Tristar Media / Getty Images

18.5.1939 – 14.11.2025

Das letzte Bild in »Amrum« gehört ihm. Hark Bohm steht am Strand der Insel, er wirkt schon schwach, so dass man ihn stützen möchte, und schaut in die untergehende Sonne. Ein Bild, das mit der Handlung des großartigen Films, der die letzten Tage der Naziherrschaft und die ersten des Friedens aus der Perspektive eines kleinen Jungen erzählt, eigentlich gar nichts zu tun hat. Aber passt. »Amrum« entstand nach dem gleichnamigen autobiografischen Roman von Hark Bohm, den er selbst nicht mehr verfilmen konnte. Bohm hatte aber zusammen mit seinem Freund Fatih Akin das Drehbuch geschrieben. »Ein Hark-Bohm-Film von Fatih Akin« steht im Vorspann. Bohm hat den deutschen Kinostart im Oktober nur um wenige Wochen überlebt.

Es ist frappierend, wie sich in diesem letzten Film von Hark Bohm sein Werk bündelt. Ein Vermächtnis. Bohm gehörte zur Generation des jungen deutschen Films, aber er war einer der wenigen, die stets ihr Publikum mitdachten, und er verstand es wie kein Zweiter, Geschichten zu erzählen. Bohm war kein Solipsist, kein verstiegener oder experimenteller Filmemacher. »Das Bedürfnis nach Geschichten ist ein archaisches Bedürfnis«, hat er in einem Interview mit epd Film 1988 gesagt. Er hat es immer wieder verstanden, Geschichten über diejenigen zu schreiben, die an der Peripherie der Gesellschaft leben. Und, das sollte man auch nicht vergessen, er war einer der Ersten, die ganz gezielt Filme über Jugendliche und mit Jugendlichen drehten, als dieses Genre noch zu großen Teilen von Hollywood bedient wurde.

»Nordsee ist Mordsee«, Hark Bohms dritter Film aus dem Jahr 1976, ist vielleicht sein Meisterwerk. Bohm entwickelte aus der Freundschaft und Flucht zweier jugendlicher Außenseiter – die Hauptrollen spielten Bohms Adoptivsohn Uwe und sein Ziehsohn Dschingis Bowakow – eine präzise Milieustudie und einen Abenteuerfilm, durchaus mit Anleihen bei Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Die Fahrt mit dem Floß der beiden durch Hamburg und den Hafen gehört sicherlich zu den bedeutendsten Hamburg-Szenen der Filmgeschichte. Von der Fahrt ins offene Meer und dem Sonnenuntergang mit Udo Lindenbergs Song »Ich träume oft davon, ein Segelboot zu klau'n«, ganz zu schweigen.

Die siebziger und achtziger Jahre waren sicherlich die wichtigsten in der Karriere von Hark Bohm, mit Filmen wie »Tschetan, der Indianerjunge« (1972), »Moritz, lieber Moritz« (1978) oder »Der Fall Bachmeier« (1984). Ein großer Wurf war auch »Yasemin«, der 1988 im Wettbewerb der Berlinale lief, die verhalten entwickelte Geschichte einer in Hamburg lebenden jungen Türkin, die durch ihre sich anbahnende Zuneigung zu einem Deutschen in Konflikt gerät mit den Moralvorstellungen ihrer türkischen Umgebung.

In »Nordsee ist Mordsee« spielte auch Hark Bohms älterer Bruder Marquard (»Rote Sonne«) mit, über den der Rechtswissenschaft studierende Hark Bohm in Kontakt mit der Münchner jungen Filmszene kam und kleinere Rollen etwa bei Rainer Werner Fassbinder spielte. Das fällt oft unter den Tisch, wenn es um Bohms Werk geht: dass er auch ein begnadeter Nebendarsteller war – in fast 70 Filmen –, wenn man sich etwa an seinen Pianisten in Fassbinders »Lili Marleen« (1981) erinnert, der die Sängerin Willie (Hanna Schygulla) begleitet und am Ende eingezogen wird. Wenig beachtet wird auch sein filmpolitisches Engagement. Bohm gehörte 1971 zu den Gründern des Filmverlags der Autoren, eine Zeit lang die Produktions- und Distributionsinstanz des jungen deutschen Kinos. Er unterzeichnete 1979 die Hamburger Erklärung (in der die weisen Sätze stehen: »Phantasie lässt sich nicht verwalten. Gremienköpfe können nicht bestimmen, was der produktive Film tun soll«), er entwickelte ein Modell für die Hamburger Filmförderung. 1993 gründete er ein Aufbaustudium Film an der Universität Hamburg, aus dem dann 2004 die Hamburg Media School wurde; zu deren Absolventen zählen etwa Niki Stein und Özgür Yildirim.

Fatih Akin hat nie bei Bohm studiert, aber bei ihm unterrichtet. Die beiden haben zusammen die Drehbücher zu »Tschick« (2016), den Bohm auch verfilmen wollte, und »Aus dem Nichts« (2017) geschrieben. Ihr letzter gemeinsamer Film »Amrum« wurde zum deutschen Überraschungserfolg des Jahres 2025. »Seine Seele ist in dem Film, sein Wirken ist in dem Film«, hat Fatih Akin darüber gesagt.

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