Kritik zu Noch lange keine Lipizzaner
Olga Kosanović nimmt ihr eigenes Schicksal als Anlass für eine gründliche und vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Einbürgerungssystem in Österreich
Olga Kosanović wurde 1995 in Niederösterreich geboren. Bürgerin des Landes ist sie aber nicht. Denn ihre Eltern waren aus Serbien eingewandert und ihr Antrag auf Einbürgerung wurde bisher abschlägig beschieden. Der Grund: Kosanović war in den letzten Jahren 58 Tage zu viel im Ausland – Abiturreise und Stipendien in Hamburg und Prag eingeschlossen. Deshalb werden die geforderten zehn Jahre Anwartschaft wieder von null gestartet. Zum Glück ist die junge Frau graduierte Filmemacherin – und nimmt ihr persönliches Schicksal zum Anlass, sich dem Thema Staatsbürgerschaft in einem dokumentarischen Essay aus unterschiedlichsten Perspektiven zu widmen.
Ein bedeutendes Thema: Schließlich haben 20 Prozent der in Österreich lebenden Menschen (in Wien sogar 36 Prozent) keinen Pass des Landes. Dessen Einbürgerungsverfahren gehört – nach Bulgarien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien – zu den restriktivsten der Welt: Neben zu ausgiebigem Reisen können auch kleine Ordnungswidrigkeiten, ein zu bescheidenes Einkommen oder falsche Freunde schädlich sein. Kosanovićs Film erzählt dies in einem anregenden Mix filmischer Mittel, von animierten Erklärinserts über spielerische Interventionen bis zu Statements Betroffener und Nichtbetroffener. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen weisen auch auf das grundsätzliche Demokratieproblem hin, das die (wachsende) Unterrepräsentation städtischer und jüngerer Bevölkerungssegmente bei Wahlen durch Vorenthaltung der Bürgerschaft bedeutet.
»Wenn eine Katze in der Hofreitschule Junge wirft, sind das noch lange keine Lipizzaner«, heißt es im Social-Media-Posting eines gewissen Desert Eagle, was Kosanović neben ihrem Titel und einem griffigen Erzählfaden auch Anlass zu erhellenden Erkundungen in die Geschichte der Vielvölker-Monarchie bietet. Unter anderem mit dem erschütternden Ergebnis, dass auch die symbolträchtigen Pferde der Spanischen Hofreitschule durch multiethnische Verwandtschaft und Herkunft aus dem slowenischen Lipica eigentlich keine Österreicher sind.
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