Amazon: »Die perfekte Schwester«

»Die perfekte Schwester« (Serie, 2025). © Amazon Content Services LLC

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Family halt

Chloe und Nicky sind zwei Schwestern wie Feuer und Wasser: die eine stets perfekt frisiert und elegant angezogen, freundlich, aufgeräumt und bestimmt, mit einem Heim wie aus dem Katalog; die andere strubbelig, laut, vulgär und immer im Zweifel, ob sie die nächste Flasche leeren soll. Diese Frau, die ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe bekommt, hat dennoch, Spoiler, stets ihre jüngere Schwester beschützt. Das muss man einfach glauben. Diese klassische Schwesternkonstellation wurde zuletzt in der Netflix-Serie »Sirens« gesichtet. In der Variante von Amazon liefert Chloes im eigenen Haus erstochener Gatte Adam – der markante Nebendarsteller Corey Stoll, der den Stempel »Zu nett, um wahr zu sein« auf der Stirn trägt – den Anlass für die Familienzusammenführung. Denn die Mordermittlung, in deren Verlauf Teenagersohn Ethan ins Visier gerät, fördert einen von der prominenten Chloe wohlweislich verschwiegenen und etwas anrüchigen Umstand zutage, der Nicky auf den Plan ruft.

Die Serie ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellerromans von Alafair Burke, der wohl zur Kategorie Flughafenlektüre gehört. Die Hauptfiguren bewegen sich in einer belletristischen Scheinwelt und arbeiten in nie näher ausgeführten, jedoch als ultrawichtig bezeichneten Berufen. Chloe ist Chefredakteurin eines Hochglanzmagazins mit wohltätigen Ambitionen, Adam Staranwalt eines dubiosen Vermittlungsunternehmens. Und Loserin Nicky, richtig, verkauft selbst gefertigten Schmuck bei Etsy.

Es ist leicht, sich über die kolportagehafte Handlung lustig zu machen, die vor unheilverkündenden Rückblenden, falschen Fährten und über mehrere Folgen verzögerten Informationen strotzt. Dazu nerven zeitfressende Redereien, in denen sich eine Karrierefrau als weise dozierende Mackerin hervortun muss, obwohl nie gezeigt wird, worin genau ihr Einfluss besteht. Auch melodramatische Szenen, in denen jede Gefühlsregung überdeutlich telegrafiert wird, strapazieren die Geduld.

Dennoch, und darin liegt die Kunst der Inszenierung des Australiers Craig Gillespie, der immerhin die ulkige Horrorkomödie »Fright Night« (2011) im Repertoire hat, manövrieren Jessica Biel als Meisterin des Pokerface und Elizabeth Banks als gewitzte Schlampe so anmutig durch diese Drehbuchuntiefen, dass man dranbleibt. Dazu liefern die Ausstattung – hell besonntes Ostküstenambiente von Strandvillen in den Hamptons, eine Traumwohnung am Central Park – und natürlich Biels durchtrainierte Oberarme beständig Augenschmaus. Auch bewegt sich das »Whodunit« allmählich in die amoralischen Gefilde eines Chabrol-Krimis. Da aber die unerklärlich aggressive Ermittlerin das Gegenteil eines Inspektor Lavardis mit seinem tiefenentspannten Zynismus darstellt und weiter auf Recht statt Gerechtigkeit pocht, dürfte einer zweiten Staffel nichts im Wege stehen. Das lässt auch die mit Twists vollgestopfte letzte Folge, in der viele Türchen offen bleiben, erahnen.

OV-Trailer

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