Netflix: »Eternauta«

»Eternauta« (Miniserie, 2025). © Marcos Ludevid / Netflix

© Marcos Ludevid / Netflix

Tödlicher Schnee

Historisch betrachtet schneit es in Buenos Aires nur sehr selten. Nennenswerter weißer Niederschlag wurde das letzte Mal am 9. Juli 2007 beobachtet. Argentinier, die ihr Land nicht verlassen, sehen womöglich niemals weiße Kristalle, die vom Himmel rieseln. Umso gespenstischer ist das Szenario in der Serie »Eternauta«, die Bruno Stagnaro für Netflix inszenierte. In diesem Sechsteiler nach einem Kultcomic wird die südamerikanische Metropole nach überraschendem Wintereinbruch von einer dünnen Schneeschicht bedeckt.

Und nicht nur das: Der Schnee ist auch noch extrem tödlich. Die Straßen sind übersät mit Leichen. Sommerlich bekleidete Menschen, oft nur in Hemd oder Badehose, sitzen oder liegen in allen erdenklichen Verrenkungen in Autos, die ineinander krachten. Die Zeit wurde angehalten, unzählige Menschen wurden aus dem Leben gerissen. Mit diesen bizarren Tableaus zeichnet die Serie buchstäbliche Stillleben, die das Blut in den Adern gefrieren lassen. Das absurdeste Bild zeigt einen erstarrten Angler, in dessen Wassereimer der kurz zuvor gefangene Fisch munter im Kreis schwimmt.

Durch Zufall entgingen einige der Städter dem Tod, darunter der Werkstattbesitzer Favalli (César Troncoso) und sein Freund Juan (Ricardo Darín). Mit Gasmaske und improvisierter Schutzkleidung trotzen sie dem toxischen Schnee und begeben sich auf die Suche nach weiteren Überlebenden. Spätestens in einer gigantischen Shoppingmall, in der die Menschen eine Art Indoor-Camping betreiben, werden deutliche Erinnerungen an George A. Romero wach, der mit seiner Zombie-Trilogie das Subgenre des postapokalyptischen Survival-Horrors wie kein Zweiter prägte. Inzwischen wird das Motiv in populären Serien wie »The Walking Dead« und einigen anderen endlos variiert.

Von diesen überwiegend US-amerikanisch geprägten Endzeitvisionen hebt sich »Eternauta« wohltuend ab. So erzählt die Serie zwar von seltsamen Riesenkäfern, die Autoschrott zu bizarren Großskulpturen auftürmen. Trotz ungemütlicher Begegnungen mit diesen rätselhaften Insekten bleibt das Horrormotiv unterschwellig. Ja, auf Splatter wird sogar vollkommen verzichtet. Stattdessen skizziert der Sechsteiler verschiedene Kleingruppen, die in der verwüsteten Metropole von Buenos Aires unterschiedliche Überlebensstrategien erproben. Von sektenartigen Fanatikern über Kirchenasyl bis hin zur strikt militärischen Ordnung.

Das spanische Kunstwort »Eternauta«, dem die Serie ihren Titel verdankt, setzt sich zusammen aus »eterno« (ewig) und »nauta«, was auf den Seefahrer verweist. Dieser ewig Reisende ist der Kriegsveteran Juan, verkörpert vom großen argentinischen Kinostar Ricardo Darín. Seine Flashbacks verweisen auf den Falklandkrieg und Argentiniens Militärdiktatur. Die Alien-Invasion, von der die Serie erzählt, wurde daher als Allegorie auf den Widerstand gegen politische Unterdrückung interpretiert.

Allerdings beschleicht einen nach und nach auch das Gefühl, dass die bereits aus dem Jahr 1957 stammende Comic-Vorlage von Héctor Germán Oesterheld und Francisco Solano-López nicht durchweg überzeugend auf die Gegenwart übertragen wurde. So steht zunächst die gesamte Stadt komplett still. Alles ist finster. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass »alte Technik« doch noch funktioniert. Und schon bald fahren wieder so viele Autos umher, dass es einmal fast zu einem Crash kommt. Warum kam die Zivilisation überhaupt zum Erliegen?

Auch die Geschichte jener Menschen, die dem Chaos trotzen, verfängt nicht so wirklich. Denn trotz einiger Rückblenden, in denen Figuren und ihre Motive entwickelt werden, bleiben viele der Charaktere unscharf. Ihren Überlebenskampf nimmt man daher eher distanziert zur Kenntnis. Und so wirkt die Geschichte des Sechsteilers – trotz einer Fülle teils atemberaubend gezeichneter Untergangsszenarien –, als wäre sie mit angezogener Handbremse inszeniert.

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