Buch-Tipp: Knut Elstermann – Im Gespräch

Bloß kein Getue!

Auf der Berlinale kann man ihm bei der Arbeit zuschauen. Im ersten Stock des Cinemaxx interviewt Knut Elstermann seine Gäste, in einem öffentlichen Studio von RadioEins. Rund zwei Stunden steht er in diesem Studio, natürlich mit Pausen, in denen man ihm mal die Hand schütteln kann. Elstermann ist ein neugieriger und kluger Moderator, dem es immer gelingt, in seine Fragen charmant ein bisschen eigene Meinung einzuschmuggeln, nachzuhaken, den Gast aus der Defensive zu locken. Aber Elstermann gibt sich nicht als Filmerklärer, die Show gehört dem Gast. 

Diese Haltung merkt man auch seinem Buch »Im Gespräch. Knut Elstermann befragt ostdeutsche Filmstars« an. Es enthält 34 Gespräche mit Filmschaffenden, deren künstlerische Heimat die DEFA war. Rund 700 Spielfilme entstanden im und um das Studio in Potsdam Babelsberg, in dem am Ende seiner Zeit, im Jahr 1989, über 2000 fest angestellte Beschäftigte arbeiteten – auch Regisseure waren in der DDR fest angestellt. Innerhalb kürzester Zeit nach »Wende und Wiedervereinigung waren die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, für viele ein traumatisches Erlebnis, wie man auch in Elstermanns Gesprächen merkt. Er liebt die Schauspielerinnen und Schauspieler der DEFA, schreibt er in seinem Vorwort: »Wenn es so etwas wie einen DEFA-Studiostil gab, dann wurde er von ihnen geprägt, vom klugen Spiel dieser gut ausgebildeten, mitdenkenden Darsteller.« 

Tatsächlich hat Elstermann nicht nur Gespräche mit »Stars« in seinem Bann versammelt, die es in der DDR wie im Hollywoodsinn nicht gab: Dieses »ganze Getue um Stars« ist ja auch erst nach der Wende aufgekommen, moniert Annekathrin Bürger. Es finden sich neben bekannten Darstellern wie Corinna Harfouch, Michael Gwisdek, Manfred Krug oder Renate Krößner auch Regisseure und eine Regisseurin (Helke Misselwitz). 

Entstanden sind die Interviews in einem Zeitraum von mehr als einem Vierteljahrhundert, bei öffentlichen Veranstaltungen, Sendungen oder einzelnen Begegnungen. Das Buch stellt auch, irgendwie, die Summe von Elstermanns Beschäftigung mit der DEFA und ihrem Erbe dar. Jedes Gespräch wird von einem Essay eingeleitet, und es gibt in der Verschiedenheit der Interviews zwei Konstanten. Stets fragt Elstermann ausführlich nach dem künstlerischen Entstehungsprozess, nach der Herangehensweise an den Stoff oder der Annäherung an eine Rolle. Das macht dieses Buch auch äußerst lesenswert für diejenigen, die in der Filmgeschichte der DEFA und DDR keine profunden Kenntnisse haben. Außerdem bittet Elstermann viele seiner Interviewpartnerinnen und -partner um eine Einschätzung der DEFA – oder auch der DDR. »Das werde ich heute oft gefragt, wie haben Sie da leben können?«, sagt Kurt Böwe. »Ich antworte immer, hinter mir standen 20 Leute und das waren alles meine Freunde.« Diesen Teamgeist spürt man in den meisten Gesprächen, aber auch die Eingriffe der Studioleitung, die Zensur und die vielen Hindernisse werden nicht ausgespart. So wirklich sentimental wird es dann doch nicht.

 


Im Gespräch. Knut Elstermann befragt ostdeutsche Filmstars — Mit einem Vorwort von Andreas Dresen. Be.Bra-Verlag, Berlin 2020. 352 S., 24 €.

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