Kritik zu Das perfekte Geheimnis

© Constantin Film

Mit bisher drei Millionen Zuschauern ist dieses hochtourige Komödienremake, in dem sich sieben Freunde mittels ihrer Smartphones gegenseitig bloßstellen, der erfolgreichste deutsche Film des vergangenen Jahres 

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Es ist angerichtet: drei Pärchen und ein Single treffen sich zum Abendessen. Eingeladen hat der Schönheitschirurg und Hobbykoch Rocco, dessen ungenießbares Kreativmenü zum Running Gag des Abends wird. Doch für die Gäste gibt es noch mehr zu verdauen als die Gänge, die ihnen Rocco serviert. Denn nach einem launigem Smalltalk der Clique über einen via Smartphone enthüllten Seitensprung eines Bekannten schlägt Roccos Frau Eva, eine Psychotherapeutin, ein riskantes Spiel vor: alle sollen ihre Handys auf den Tisch legen und die einkommenden Nachrichten und Anrufe öffentlich machen. Zwar würde in der Realität zumindest unter Erwachsenen wohl niemand auf diese Idee eingehen. Dennoch erweist sich die gespannte Sensationsgier, mit der die sieben Freunde auf die verschiedenen Klingeltöne und möglichen Enthüllungen reagieren, als herrlich fieser Antrieb für eine Boulevardkomödie, in der jeder Federn lassen muss. 

Das 2016 gestartete italienische Original »Perfetti sconosciuti« erfuhr inzwischen 18 Remakes und wurde als Film mit den weltweit meisten Versionen ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen. Für die deutsche Version versammelte Bora Dagtekin u.a. die Stammmannschaft aus seinen »Fack ju Göhte«-Filmen und drückt wie gewohnt aufs Tempo. Ähnlich wie im kürzlich erfolgreich angelaufenen Remake des französischen Films »Der Vorname« funktioniert auch diese dialogstarke und gut gebaute Komödie wie am Schnürchen. Es wird gezickt, gefrotzelt und getobt, es gibt falsche Fährten und Täuschungsmanöver, die spektakulär nach hinten los gehen; neben Seitensprüngen werden beim Blick ins elektronische Eingemachte Lebenslügen aufgedeckt und schwelende Sex- und Familienkonflikte zur Explosion gebracht. Die Komödie ist mit soviel Drive inszeniert, dass man sich trotz oberflächlicher Charaktere keine Sekunde langweilt – selbst wenn die letztendliche Enthüllung, ein Coming-Out, vorhersehbar ist. 

Selbst eingedenk Dagtekins wenig zimperlichen Humors aber lässt die Krassheit des verbalen Schlagabtauschs aufhorchen. Diese etablierten Mittdreißiger palavern oft so unflätig wie Jungs in der Sport-Umkleide. Ein Blick auf die französische Netflix-Version (»Le jeu – nichts zu verbergen«) und auf das Original bestätigt leider den Verdacht: den verstörend homophoben und aggressiven Pennälerhumor, mit dem sich Hausmann Leo gegen den Verdacht wehrt, schwul zu sein, gibt's nur auf deutsch. Ditto Carlotta, die insgeheim lieber Muttertier sein möchte als in ihrer Werbeagentur die Kunden aufzugeilen und zu koksen. Was im Original ein nachvollziehbarer Ehekrach um eine übergriffige Schwiegermutter ist, wird im deutschen Remake zu einem geradezu unterirdisch sexistischen Klischee einer Karrierefrau, die Kinder und Beruf zu vereinbaren versucht, deformiert. Und wenn Dagtekin das im Original leise und melancholische Ende in eine kitschige Männerversöhnung, die durch das Zusammenschlagen eines Schwulenhassers beglaubigt wird, umdichtet, stellt sich einmal mehr das Gefühl des Fremdschämens angesichts des deutschen Komödienunwesens ein. 

Meinung zum Thema

Kommentare

Auch wenn ich vielem in Ihrer Kritik zustimmen kann, so finde ich doch, dass der Film als Komödie sehr gut funktioniert. Die political correctness, die Ihre Kritik unterschwellig mitbestimmt, teile ich nicht.
Diesen Ansatz empfinde ich als typisch deutsch, und er hebt den Film auf eine moralische Ebene, die dieser aber gar nicht einnehmen will. Er möchte meiner Ansicht nach nur unterhalten. Das ist in Deutschland aber offensichtlich bei vielen intellektuellen Menschen verpönt.

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