Kritik zu Der Vorname

© Warner Bros.

Nach Der Gott des Gemetzels kommt mit Der Vorname schon wieder ein erfolgreiches Theaterstück aus Frankreich ins Kino, ebenfalls ein Beziehungsstück, aber es spielt im Familienkreis

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Ein französischer Familienclan trifft sich zum Couscous-Essen: Eingeladen hat das Lehrerehepaar Pierre (Charles Berling) und Élisabeth (Valérie Benguigui), Eltern zweier Sprösslinge, die als Erstes ins Bett geschickt werden. Anlass ist der zu erwartende Nachwuchs von Élisabeths Bruder Vincent (Patrick Bruel) und Schwägerin Anna (Judith El Zein), die aus Geschäftsgründen (und dramaturgisch bedingt) erst im zweiten Akt erscheint. Und da ist auch noch Claude (Guillaume de Tonquedec), der Posaunist und langjährige Freund der Familie. Die erste Runde geht also an den Viererclub, der sich schon von Kindesbeinen an, so um die vierzig Jahre lang, kennt, eine geschickte Erzählvorgabe, die tiefgründige Insiderkenntnisse und eine ausgeprägte Gesprächskultur erwarten lässt. Doch es geht ja nur um den Vornamen für den zukünftigen Erdenbürger, ein Junge, was sonst. Vincent wirft jedoch ein ausgesprochenes Reizwort in die Runde, das besser nicht verraten wird, und löst ein zwei Stunden langes Debakel aus – das allerdings ist ein Kunststück für sich.

Wichtig zu wissen, dass auch die politische Couleur – linksintellektuell gegen konservativ – eine Rolle spielt; das Kundengeschenk des deutlich besser gestellten Immobilienmaklers Vincent, eine Flasche Wein im Wert von 500 Euro, wird aber trotzdem gern getrunken. Auffällig ist, dass aus dem Viererclub sofort ein Dreierclub wird, mit ausgesprochenen Zweikämpfen zwischen Pierre und Vincent, weil Élisabeth immer wieder in der Küche werkelt und erst als Schlusslicht zur großen Nummer ausholt, dann aber mit allen und allem endlich abrechnen darf. Auch Anna, die in der Modebranche arbeitet, hat wenig beizutragen, so dass man sich einem ziemlich genauen Abbild der wahren Redeverhältnisse in unseren westeuropäischen Gesellschaften gegenübersieht.

Der Vorname präsentiert vor allem eine Glanzrolle für den Alleskönner Patrick Bruel, der von Anfang an als Wortführer auftritt, seinen Vornamen in die Runde wirft, dafür später, ungefähr im dritten Akt, nachdem sich das Blatt gewendet hat und die bisher Unterdrückten die Oberhand gewinnen, sich eine Runde lang das Gespött über seine körperlichen Eigenarten anhören muss. Dann aber vereint sich der geballte Familienzorn gegen den bis dahin als Außenseiter wenig agierenden Claude, der sich, entgegen dem geteilten Vorurteil, dass er wohl schwul sei, als Mann mit einer Freundin outet. Ein glatter Fehlgriff – denn dafür schlägt ihm Vincent gleich die Nase ein. Die Steigerung der Argumente bis zu blutigen Handgreiflichkeiten ist sorgsam orchestriert und hat schon 250 Pariser Aufführungen überstanden, doch bei den Akteuren, alle bis auf Pierre (Charles Berling) in ihren angestammten Rollen, mag sich doch hin und wieder ein wenig Rollenmüdigkeit einschleichen. So rundet sich Der Vorname zu einer insgesamt sehenswerten Komödie, der man auf keinen Fall Einfallslosigkeit vorwerfen kann.

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