Interview: Morgan Neville über »Steve!«

»Ich war vor allem ein Fan«
Morgan Neville. © Netflix

© Netflix

Morgan Neville, 1967 geboren, konnte der Produzent, Regisseur und Autor für seinen Dokumentarfilm über Background-Singer, »20 Feet from Stardom«, 2014 einen Oscar gewinnen. Auch sein »Best of Enemies« über die Debatten von Gore Vidal und William F. Buckley schaffte es 2016 auf die Shortlist

Herr Neville, Steve Martin ist in Deutschland vor allem für seine Kinokomödien aus den 1980ern und 1990ern bekannt. Dabei war er bereits zuvor einer der erfolgreichsten Stand-up-Comedians der USA, verkaufte Millionen von Platten. Sie zeichnen nun in ihrer zweiteiligen Dokumentation Leben und Werk nach. Wann haben Sie Steve Martin entdeckt?

Morgan Neville: Zum ersten Mal sah ich ihn 1978 bei »Saturday Night Live«, ich war als Kind schon ein Comedynerd und schaute die Sendung jede Woche. Das Tolle an Steve war, dass er als Komiker für Elfjährige wie mich ebenso funktionierte wie für Erwachsene. Nach der Schule gab es nichts Tolleres, als seine Platten zu hören und Teile daraus nachzuspielen. Als dann 1979 sein erster Film »Reichtum ist keine Schande« ins Kino kam, war das ein Riesending. Ich brachte schließlich meinen Vater sogar dazu, mich nach Las Vegas zu fahren, sieben Stunden mit dem Auto, nur um Steve Martin live zu erleben.

Wann wurde daraus ein professionelles Interesse?

Erst viel später, ich war vor allem Fan. Er wurde einer der größten Kinostars, ich schaute mir alle seine Filme an. Dann begann er Theaterstücke zu schreiben, Romane, seine Memoiren. Ich verschlang alles. Unbewusst habe ich mich also mein ganzes Leben auf diese Aufgabe vorbereitet. Seine Autobiografie ist eines der besten Bücher über Comedy überhaupt, sehr intelligent und reflektiert. Aber er wollte lange keinen Film über sich machen.

Wie haben Sie sein Vertrauen gewonnen?

Er veränderte sich mit dem Alter. Er begann, mehr über sich und sein Leben nachzudenken und wurde offener. Und ich wollte verstehen und hörte zu. So wuchsen wir langsam zusammen. Ein Projekt wie dieses hat auch etwas von einer Therapie. Mein Job als Filmemacher ist, Menschen nach den wichtigsten Dingen in ihrem Leben zu fragen und sie dazu zu bringen, auch über Sachen nachzudenken, denen sie sich bislang vielleicht nicht gestellt haben. Als ich mit dem Schnitt fertig war, wollte Steve den Film zuerst gar nicht sehen. Schließlich wagte er es doch und schrieb mir danach eine kurze Nachricht: »Love it.« Zehn Minuten später kam noch eine: »Kann ich ihn meinem Therapeuten zeigen?« Ein größeres Kompliment hätte er mir kaum machen können.

Sie greifen dabei auf Archivmaterial zurück, darunter rare Aufnahmen früher Auftritte der 60er und 70er Jahre, aber auch private Briefe und Tagebücher. Wie frei war Ihr Zugang?

Bei der Recherche habe ich zunächst viel Filmmaterial gefunden, das noch nie zu sehen war. Aber in Steves Keller gab es auch ein paar Kisten mit der Aufschrift »persönlich«. Es dauerte etliche Monate, bis ich mich traute zu sagen: »Steve, ich würde wirklich gerne in diese Kisten schauen.« Und er ließ es zu. So entdeckte ich sein Tagebuch von 1975, seine Notizbücher. Aber es war ein Prozess. Und er hatte auch seine Grenzen. Der Brief an seinen Vater etwa, den er einst voller Wut geschrieben, aber nie abgeschickt hatte. Als ich Steve bat, den Brief vor laufender Kamera laut vorzulesen, konnte er das nicht. Im Film ist nun zu sehen, wie er nach all den Jahren auf den Brief reagiert und sein schwieriges Verhältnis zum Vater verarbeitet. Mich hat das sehr berührt.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt