Interview mit Olivia Colman über ihre Rolle in »The Favourite«

Olivia Colman in »The Favourite« (2018). © 20th Century Fox

Olivia Colman in »The Favourite« (2018)

© 20th Century Fox

Queen Anne ist eine großartige Rolle und eine brillante, absolut furchtlose darstellerische Leistung. Hatten Sie je Zweifel oder Skrupel, sie zu verkörpern?

Nein! Diese Figur ist ein Geschenk für einen Schauspieler. In dieser Rolle kann ich mir alles erlauben, ich kann kindisch sein, glücklich, neurotisch und zu Tode betrübt, vieles mehr. Ich war sofort Feuer und Flamme. Und mit Yorgos Lanthimos gibt es keine Regeln. Ich durfte so sehr aufdrehen, wie ich wollte. Er weiß schon ganz genau, was er will, aber selbst wenn man mal übers Ziel hinausschießt, liebt er es.

Die Rolle ist physisch eine Herausforderung. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Ich habe wahnsinnig viel gegessen, um Gewicht zuzulegen. Es ging ein bisschen zu einfach. Und die Kilos danach wieder loszuwerden, war kein Vergnügen. Aber ich fand die Figur faszinierend, ich habe großes Mitgefühl für sie. Sie war eine voluminöse Frau, sie hatte 17 Kinder geboren, von denen keines überlebte. Und sie konnte nie wissen, ob jemand sie wirklich mochte oder nur höflich war wegen ihrer Machtposition.

Haben Sie eine bestimmte Methode, sich eine Rolle anzueignen?

Das läuft immer etwas anders. Meine Emotionen sind sehr dicht unter der Oberflläche, mir fällt es leicht, sie hervorzurufen. Wenn ich etwas Trauriges höre, fange ich an zu ­weinen. Ich muss mich nicht zwingen, ­etwas zu fühlen. Aber ich komme auch nicht am Ende eines Drehtags als Filmfigur nach Hause. Da würden mir mein Mann, unsere Kinder und die Haustiere auch was husten.

Sie spielen sowohl dramatische als auch ­komische Rollen. Was fällt Ihnen leichter?

Das Komische ist oft schwieriger, auch wenn es bisweilen als die niedere Kunstform angesehen wird. Wenn ein Witz schlecht erzählt wird, funktioniert er nicht. Ein ernster Moment ist leichter herzustellen. Ich fühle mich sehr glücklich, dass ich beides tun kann. Aber Komödien machen mir mehr Angst. Wenn man nicht liefert und keiner lacht, ist es keine Komödie mehr, sondern nur traurig und peinlich.

Und Sie haben es geschafft, sowohl im Kino als auch im Fernsehen erfolgreich zu sein …

Purer Zufall und viel Glück! Es war eine lange und langsame Reise. Im Grunde unterscheidet sich die Arbeit nicht sehr, von der Länge des Drehs abgesehen. Für die ersten zehn Folgen von »The Crown« brauchten wir acht Monate. Für den Film »Tyrannosaur« hatten wir lediglich vier Wochen.

In der dritten Staffel von »The Crown«, die im Frühjahr auf Netflix kommt, übernehmen Sie die Rolle der Queen Elizabeth II., die bislang von Claire Foy gespielt wurde. Was können wir erwarten?

Wir setzen im Jahr 1963 ein, alle vier Kinder sind inzwischen geboren. Die Beziehung zwischen Elizabeth und Prinz Philip ist ausgeglichener als früher, sie sind inzwischen ja auch nicht mehr ganz jung. Viel mehr ist mir leider nicht erlaubt zu verraten. Die Handlung zieht sich bis Anfang der 80er Jahre, es gibt also viele Kostümwechsel und saftige Geschichten und Affären.

Spüren Sie einen Druck, eine solche Ikone darzustellen?

Noch nicht. Man darf dem auch nicht nachgeben. Ich habe den Job bekommen und mache ihn, so gut ich kann. Und wenn ich mal danebenliegen sollte, wird mir das jemand sagen. Man sollte nie einen Job mit der Angst vorm Scheitern machen, sonst hat man nur eine furchtbare Zeit.

Sie spielen also die erste Königin des United Kingdom und demnächst die amtierende …

Es ist purer Zufall und sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Queen Elizabeth zu verkörpern, ist die größere Herausforderung, weil sie schlicht noch lebt. Und ihr ist nicht erlaubt, öffentlich Emotionen zu zeigen, was mir persönlich sehr schwerfällt. Queen Anne dagegen ist exzentrisch und expressiv, das ist viel leichter zu spielen. Und sie ist eine historische Figur, es gibt keine Überlieferungen über ihr alltägliches Verhalten am Hof. Meine Aufgabe war, die Figur zum Leben zu erwecken, wie sie im Drehbuch stand, nicht die echte Queen Anne. »The Favourite« ist kein Dokudrama.

Im Mittelpunkt von »The Favourite« stehen drei starke und machtbewusste Frauen …

Sehr erstaunlich für diese Zeit, ja. Frauen wurde keine Führungsposition zuerkannt, außer der Queen selbst. Also kämpfen die beiden anderen um die Gunst der Königin, um so ihren Teil an der Macht zu erreichen. Und sie tun alles Erdenkliche dafür.

Kürzlich hat Sie eine Zeitung als mächtigste Frau im britischen Fernsehen bezeichnet.

Die Überschrift war übrigens »mächtigste Person«. Die Zeiten ändern sich also. Davon abgesehen ist es natürlich absoluter Unsinn und lächerlich. Wenn ich wirklich Macht hätte, würde ich nicht an Wochenenden oder nach 17 Uhr arbeiten. Aber schmeichelhaft ist eine solche Schlagzeile durchaus.

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