Hof 2016: Jahr eins nach Heinz

»Freddy Eddie« (2016)

»Freddy Eddie« (2016)

Das Festival von Hof ist trotz zunehmender Konkurrenz eines der ­wichtigsten Podien des deutschen Films. Im März starb Heinz Badewitz, Gründer und Leiter. Aber es ging in seinem Sinne weiter

50 Jahre Hof ohne Heinz Badewitz? Eigentlich undenkbar. Wie kein anderer Festivalmacher prägte der im März überraschend verstorbene Gründer der Internationalen Hofer Filmtage die deutsche Filmlandschaft und vereinte jeden Oktober Filmemacher zum Familienfest am Bratwurststand. Sein Credo war: »Wir brauchen keine Stars, wir machen welche.« Auch in der Filmauswahl vertraute Badewitz nur auf sich selbst, Auswahlgremien brächten vor allem Kompromisse hervor. Im Jahr eins nach Heinz gelang dennoch der Spagat zwischen einem würdevollen Abschied und einer stimmungsvollen Geburtstagsfeier. Den »kuratorischen Imperativ« rief Alfred Holighaus im Namen des kurzfristig eingesprungenen Auswahlkuratoriums aus, dem neben dem SPIO-Chef Linda Söffker (Sektionsleiterin der Berlinale) und Thorsten Schaumann (Sky Deutschland) angehörten: »Wir zeigen, was Heinz gern gezeigt hätte.« Und tatsächlich: Das attraktive Jubiläumsprogramm wirkte auf den geschulten Hof-Gänger ganz im Badewitz'schen Stil. Neuentdeckungen auch abseits der üblichen Hochschulpfade und bekannte Hof-Regisseure gaben sich die Klinke in die Hand und feierten gemeinsam in einer mit überdimensionalen Lampenschirmen charmant dekorierten Fabrikhalle.

»Salt and Fire« (2016). © Camino Filmverleih

Als »Gesicht von Hof« gilt Werner Herzog, der bis heute Torschützenkönig des legendären Fußballspiels auf dem Platz der Freien Turnerschaft ist. Gleich mit drei Filmen war Herzog diesmal vertreten: seinem frühen Kurzfilm »Letzte Worte«, dem Dokumentarfilm »Lo and Behold« über das Internet sowie dem fiktiven »Salt & Fire«, in dem ein Team von UN-Klimaforschern (darunter Veronica Ferres und Gael García Bernal) am Rande einer sich ausdehnenden Salzwüste entführt wird. Binnen 16 Tagen drehte Herzog den absurd-philosophischen Film an Originalschauplätzen in Bolivien. Ohne Mittelstürmer Werner Herzog unterlagen die Filmemacher im Jubiläums-Fußballspiel übrigens mit 2:4 gegen das Festivalteam.

Maler sind schwierige Menschen, lernte das Hofer Publikum: Christian Schwochows »Paula« über die Künstlerin Modersohn-Becker und Dieter Berners »Egon Schiele – Tod und Mädchen« widmeten sich mit aufwendigen Gemälde-Rekonstruktionen eindrucksvoll deren Leben und Wirken in bewegten Zeiten. Und »Freddy Eddy«, der brillant besetzte Debütfilm der gelernten Tonmeisterin Tini Tüllmann über einen psychisch labilen Maler, wurde mit dem neu geschaffenen Heinz-Badewitz-Preis ausgezeichnet. Der aus familiären Ersparnissen finanzierte Psychothriller im Dr.-Jekyll-Mr.-Hyde-Stil gilt laut Kurator Holighaus als nachahmenswerter »Solitär in der deutschen Kinolandschaft«.

»Egon Schiele« (2016). © Alamode Film

Das Genrekino aus Deutschland ist ohnehin auf dem Vormarsch. Zum Geheimtipp avancierte der Psychothriller »Therapie«, der mit vitaler Kameraführung und unerwarteten Perspektivwechseln die Rollen zwischen einer frisch aus dem Gefängnis entlassenen jungen Berlinerin und deren Psychotherapeuten (Dominic Raacke) verschwimmen lässt. Ebenfalls mit mehreren Kameras gedreht ist der improvisierte Horrorfilm »Im Nesseltal«. In einer Hütte im Bayerischen Wald eskaliert eine Geburtstagsfeier, ein junger Mann verschwindet auf mysteriöse Weise. Inspiriert wurde Regisseur Philipp J. Pamer bei seinem eigenen 30. Geburtstag, den er mit Schauspielern zuvor in eben jener Hütte feierte.

Mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino wurde verdientermaßen Sandra Wollners »Das unmögliche Bild« ausgezeichnet, der auf herrlich poetische Weise und im Super-8-Look das familiäre Umfeld einer Engelmacherin in den 1950er Jahren por­trätiert: Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters übernimmt ein junges Wiener Mädchen dessen Kamera und dreht weiter. Ein Sinnbild für die im Umbruch befindlichen Hofer Filmtage? Schauspielerin Aylin Tezel erhielt den Filmpreis der Stadt Hof, für den sie sich mit den Worten »Auf die Freundschaft, auf die Liebe, auf die Filme!« bedankte. Das hätte Heinz Badewitz gefallen. Hof will go on, versicherte die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner via Videobotschaft. Die Suche nach einem Nachfolger, der den familiären Geist des »Home of Films« aufrechterhalten und das Festival zugleich für die Zukunft rüsten kann, ist angelaufen.

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