Film in Zeiten des Krieges

15. goEast Filmfestival vom 22. bis 28. April 2015 in Wiesbaden

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat sich längst auf viele Lebensbereiche ausgeweitet. Das vom Deutschen Filminstitut veranstaltete goEast Filmfestival widmet deshalb dieses Jahr einen Schwerpunkt der gesellschaftspolitischen Situation in der Ukraine und dem ukrainisch-russischen Konflikt. Die Spannbreite reicht dabei von filmischen Einblicken in die sowjetische Vergangenheit über nicht alltägliche Geschichten aus der Ukraine und dem Russland der Gegenwart bis zu Beispielen von Repressionen gegen politisch Andersdenkende.

Im Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerb sind in diesem Jahr drei Filme aus Russland vertreten: Andrey Konchalovsky zeigt in dokumentarisch-poetischen Aufnahmen die Schönheit der Natur und die fragile Welt der kleinen Leute. Sein ausschließlich mit Laiendarstellern gedrehtes neues Werk „Die weissen Nächte des Postboten“ gewann letztes Jahr den Silbernen Löwen von Venedig. In »Engel der Revolution« erzählt Aleksey Fedorchenko von avantgardistischen Künstlerinnen und Künstlern der Avantgarde in den 1930er Jahren, die sich nach Sibirien aufmachen, um bei der indigenen Bevölkerung die Lehre Lenins durchzusetzen. Ebenfalls im Wettbewerb zu sehen gibt es das radikal-eindrückliche Dokumentarfilmdebüt »Zusammen« von Denis Shabaev.

Alle Spiel- und Dokumentarfilme konkurrieren im Wettbewerb um den Preis für den besten Film, den Preis für die Beste Regie der Landeshauptstadt Wiesbaden sowie den Preis des Auswärtigen Amtes für kulturelle Vielfalt. Die FIPRESCI vergibt den Preis der Internationalen Filmkritik.

Eröffnet wird das Festival vom Gewinnerfilm des Silbernen Regie-Bären der Berlinale – allerdings läuft der polnische Film »Körper« von Regisseurin Małgorzata Szumowska nicht im Wettbewerb. Weiter geht es mit dem slowakisch-tschechischen Boxer-Drama »Koza« von Ivan Ostrochovský. Mit dem Staatszerfall Jugoslawiens befassen sich die beiden Filme »Niemandskind« vom Serben Vuk Ršumović und »Der Sensenmann« (Kroatien, Slowenien) von Zvonimir Jurić. Starke Frauen in der Schuldenfalle sind dieses Jahr in zwei Filmen zu sehen: »Die Lehrstunde« (Bulgarien, Griechenland) von Kristina Grozeva und Petar Valchanov und »Kreditlimit« (Georgien, Frankreich, Deutschland) von Salomé Alexi. Jerzy Stuhrs »Bürger« (Polen)  erzählt 60 Jahre polnische Geschichte im Satireformat, Tudor Giurgiu thematisiert in »Warum ich?« (Rumänien, Bulgarien, Ungarn) die Korruption in Rumänien. Mit »Kebap & Horoskop« (Polen) liefert Grzegorz Jaroszuk einen an die Ästhetik Aki Kaurismäki erinnernden Debütfilm. Außerdem läuft der mit dem Silbernen Bären bei der diesjährigen Berlinale ausgezeichnete »Unter elektrischen Wolken« (Russland, Ukraine, Polen) von Aleksey German Jr. außer Konkurrenz.

Bei den Dokumentarfilmen wirft Želimir Žilnik mit »Destination_Serbistan« (Serbien) einen Blick auf die restriktive europäische Einwanderungspolitik. Gábor Hörcher, Preisträger für das beste Dokumentarfilmdebüt beim International Documentary Festival Amsterdam 2014, zeigt den Lernprozess eines Teenagers auf dem Weg zum verantwortungsbewussten Erwachsenen in »Drifter« (Ungarn, Deutschland). »Nackte Insel«  (Kroatien) von Tiha K. Gudac dokumentiert die Gefangenschaft von Gudac‘ Großvater in einem Umerziehungslager Titos. In »Zuhause« (Tschechische Republik) findet Jiří Stejskal starke Bilder für eine starke Frau, die in einer ungewöhnlichen Wohngemeinschaft lebt und deren Geschicke sie liebevoll dirigiert. Zuletzt dokumentiert Vladimir Tomić in »Flotel Europa« das Schicksal jugoslawischer Kriegsflüchtlinge, die Anfang der 1990er-Jahre auf einem riesigen Schiff eine temporäre Heimat fanden.

Neben den Wettbewerben hat das Festival noch mehr zu bieten: Den Start des neuen Nachwuchsförderprojekts Young Filmmakers for Peace, zu dem goEast mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung junge FilmemacherInnen zum Festival einlädt, um sie zum Themenkomplex Filmemachen/Krieg/Frieden zu schulen, und ein Symposium zum Filmproduzenten Artur Brauner, dessen Schaffen entlang der Ost-West-Achse bisher kaum erforscht ist. Mit dem fast 90jährigen Marlen Khutsiev wird eine Legende des sowjetischen Tauwetter-Kinos auftreten, während die Sonntagsmatinee vom deutschen Regisseur Dominik Graf abgehalten wird, der über seine Begeisterung für DDR-Stoffe und osteuropäische Themen sprechen wird.

Anlässlich des Themenschwerpunktes Krieg im Film findet am Montag, 27. April, (20.00 Uhr) ein Podium statt, das sich der Frage „Alltag in der Ukraine, Alltag in Russland? Wie weiter, was tun?“ stellt. Diskutieren werden die Filmemacherinnen Marina Razhbezhkina (Moskau), Marina Zhukovskaya (Odessa) und Irene Langemann (Köln) und die Historikerin Dr. Anna Veronika Wendland (Marburg). Die Moderation übernimmt hr-Redakteur Eberhard Nembach. 

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