11. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen

Dunkle Wälder, sommerliche Komödien
»Im Sommer wohnt er unten«

»Im Sommer wohnt er unten« (Gewinner des Hauptpreises)

Mit »Im Sommer wohnt er unten« hat ein Film mit klarer Handschrift den Hauptpreis des 11. Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen gewonnen – in einem Wettbewerb, der überwiegend von schwammiger Buntheit geprägt war

Ein gigantisches Windrad ragt in den Himmel über den böhmischen Wäldern, viel zu langsam, viel zu laut dreht es seine Runden. Der Lärm – irgendwo zwischen röhrendem Hirsch und knarzender Höllenpforte – liegt drohend über der Landschaft. Der deutsche Ingenieur, der dieses renitente Monstrum reparieren soll, hat noch ein anderes Problem: »Das Dunkel der Wälder« zieht ihn auf rätselhafte Weise an, wie ein Abgrund, der ihn verschlucken will. Regisseur Stepan Altrichter erzählt mit trockenem Humor, wie Ingenieur "Schmitke" zwischen skurrilen Dörflern und der undurchdringlichen Natur seine ganz eigene "Heldenreise" erlebt.

Und noch einmal die Magie des Waldes, diesmal in den 20er Jahren, in Timm Krögers »Zerrumpelt Herz«: Ein junges Pärchen und ein Freund wollen einen Komponisten besuchen, der sich in eine einsame Hütte zurückgezogen hat. Er ist jedoch verschwunden, zurückgelassen hat er seinen Hund und eine neue Komposition, die auf rätselhafte Weise mit dem Wald verbunden scheint: Singen die Vögel seine Melodien, oder hat er sein neues Werk deren höchst fremdartigem Gesang abgelauscht? Auch hier geraten die Menschen im Wald in eine Art Parallelwelt, die janusköpfig zwischen Bedrohung und Verlockung changiert.

»Zerrumpelt Herz« (2015)

Das moderne Märchen »Schmitke« und die romantische Künstlerfantasie »Zerrumpelt Herz« zählten zu den spannendsten Beiträgen der 11. Ausgabe des Festivals des deutschen Films, zwei Werke mit ausgeprägter eigener Ästhetik. Wie nur wenige erfüllten sie damit den stets aufs Neue bekräftigten Exklusivanspruch von Festivaldirektor Michael Kötz, die besten, innovativsten deutschen Filme des Jahres zu präsentieren. Da muss die Frage gestattet sein, wieso wiederum fast die Hälfte des Wettbewerbs aus Fernsehfilmen bestand, die handwerklich solide, doch größtenteils reichlich konstruiert oder vorhersehbar daherkamen. »Kinoformat« bewies kaum einer der TV-Filme.

Während auch die Zuordnung der Filme zum Wettbewerb oder der Nebenreihe »Lichtblicke« wieder beliebig wirkte, bewies die Jury einen klaren Blick. Den mit 50 000 Euro hoch dotierten Filmkunstpreis verliehen sie an Tom Sommerlattes so leichte wie ernste Komödie »Im Sommer wohnt er unten«, die von zwei sehr unterschiedlichen Brüdern erzählt, der eine mehr der Kontemplation und dem Genuss zugetan, der andere ein herrischer Leistungstyp. Im Sommerhaus in Frankreich, im Zusammenspiel mit ihren beiden ebenso verschiedenen Frauen, eskalieren die Konflikte – was der Film als einen humorvollen Reigen aus Machtkämpfen, erotischen Spannungen und wechselnden Bündnissen erzählt, in fein komponierten Bildern und mit Charakteren, deren Lebendigkeit schon nach fünf Minuten gefangen nimmt. Ein absolut souveräner, klischeefreier, spannender Debütfilm. 

Drei Dokumentarfilme im Wettbewerb zählten zu den Entdeckungen: In dem Essayfilm »Müdigkeitsgesellschaft« öffnet Isabella Gresser der Zeitdiagnostik des in Berlin lebenden Philosophen Byung-Chul Han beim Besuch in seiner Heimat Südkorea einen filmischen Reflexionsraum. In »Das Golddorf« schildert Carolin Genreith das Zusammen- bzw. Nebeneinanderleben von Asylbewerbern und Einheimischen in einem traditionsbewussten Dorf im Chiemgau, vielleicht etwas zu versöhnlich, doch spannend durch seine wechselseitige Spiegelung von Fremdheit. Carmen Tartarotti porträtiert in »Wir können nicht den hellen Himmel träumen« sehr anrührend zwei alte Nonnen, die abgeschieden von der modernen Welt ein Kloster in Südtirol am Leben erhalten. 

Das dezidiert Unkonventionelle enttäuschte dagegen. Das Publikum ließ sich vom künstlerischen Gefälle im Programm freilich nicht beirren. 88 000 Besucher, schon wieder ein Rekord, strömten zu den Kinozelten auf der grünen Parkinsel, anfangs bei »Schafskälte«, am Ende bei Temperaturen über 35 Grad. Und wie schnell ist doch ein schlechter Film vergessen, wenn man danach die Ludwigshafener Festivalatmosphäre genießen kann, jene entspannte Mischung aus Bierbank-Gemütlichkeit, Pfälzer Dialekt und dem Blick auf uralte Bäume und den Rhein . . .

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