21. Filmfest Oldenburg

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»Samuel Fuller«

Von jetzt an kein Zurück: Das 21. Filmfest Oldenburg

Im letzten Jahr, zum 20jährigen Jubiläum des Filmfests Oldenburg, sah es so aus, als ob es die letzte Vorstellung sein könnte, Gerüchte über die mögliche Abwanderung in eine benachbarte norddeutsche Metropole machten die Runde, und man hätte es dem Festivalleiter und Mitbegründer Torsten  Neumann nicht verdenken können, wenn er ein Signal gesetzt und hingeschmissen hätte, angesichts neuerlicher Budgetkürzungen.

Aber es ging dann doch weiter und der Titel des diesjährigen Eröffnungsfilm lies sich in dieser Hinsicht als durchaus zweideutig verstehen - »Von jetzt an kein Zurück«: als Appell an die Geldgeber, nicht noch weitere Kürzungen vorzunehmen, als Selbstversicherung, dass das Festival solchen nicht zustimmen würde, oder, falls dieser Trend anhalte, man vielleicht doch die Reißleine ziehen würde? Da die 21. Festivalausgabe mit knapp 15.000 Zuschauern in den Besucherzahlen stabil blieb und es auch bei den ausländischen Gästen nicht die großen Einbrüche gab, die man nach den ersten Ankündigungen und den einmal mehr gestutzten Zuschüssen befürchten musste, heißt es offenbar erst mal weiter wie bisher.

Von gleich vier Gästen wurde »Lost Soul: The Doomed Journey of Richard Stanley’s ‚Island of Dr. Moreau« begleitet. Regisseur David Gregory, der Schauspieler Marco Hofschneider, sowie Editor Douglas Buck und Richard Stanley selber (beide alte Freunde des Festivals) vermittelten einen lebendigen Eindruck von den Ereignissen im Jahre 1995, als Stanley als Regisseur von »The Island of Dr. Moreau« (DNA – Experiment des Wahnsinns) gefeuert und durch John Frankenheimer ersetzt wurde.

Gregorys abendfüllende Dokumentation ist ein Lehrstück in Sachen Kunst und Kommerz, der Kontrolle geistigen Eigentums und dem Größenwahn so mancher Schauspielstars - in diesem Fall weniger Marlon Brando (der als weißgeschminkter mad scientist eine weitere bizarre Alters-Vorstellung gibt) als Val Kilmer, der seinerzeit dank »Batman Forever« auf dem Höhepunkt seines Ruhmes war. Wie die Produktionsfirma New Line damals wegen einer veränderten Ausrichtung das Interesse an dem Film verlor und wie Richard Stanley dank der Unterstützung einiger Teammitglieder als unerkannter Statist an den Drehort zurückkehrte, das ist schon eine so grandiose wie tragische Geschichte – tragisch, weil Stanley danach nie wieder einen abendfüllenden Spielfilm drehen konnte. Einen gewissen Optimismus trug er in Oldenburg dennoch zur Schau. Der Dokumentation selber wäre dringend ein deutscher DVD-Anbieter zu wünschen.

Auch zwei weitere Dokumentarfilme zum Kino beeindruckten: Samantha Fuller, die ebenfalls nach Oldenburg gekommen war, zeichnete in »A Fuller Life« chronologisch die vielfältigen Tätigkeiten ihres Vaters Sam Fuller als Journalist, Kriegsteilnehmer und Filmemacher nach und konnte dabei nicht nur auf ein hochkarätiges Ensemble von Filmschaffenden zurückgreifen, das Kapitel aus dessen Autobiografie vortrug, sondern auch auf aufregendes Bildmaterial – home movies aus dem Nachlass ihres Vaters. Bewegend war Steve James’ »Life Itself« über den vor anderthalb Jahren verstorbenen amerikanischen Filmkritiker Roger Ebert, dessen besondere Qualität es war, genaue Beobachtungen in einer verständlichen Sprache mit oft persönlichen Einlassungen zu verknüpfen. Lange Zeit war Ebert höchst umstritten wegen seiner Fernsehsendung, da er und sein Kollege Gene Siskel dort eine Filmvorstellung mit einer ‚Daumen hoch’ bzw ‚Daumen runter’-Geste beendeten. Unzweifelhaft ist aber, dass er viele unabhängige Filmemacher am Beginn ihrer Karriere nachhaltig gefördert hat, darunter Errol Morris, der im Film davon erzählt (und der ihm deshalb auch seinen jüngsten Film »The Unknown Known« gewidmet hat). Dass »Life Itself« auch Eberts Krebserkrankung, die ihm Jahre vor seinem Tod die Fähigkeit zu sprechen nahm, ausführlich – und im Bild - dokumentiert, macht den Film manchmal schwer anzusehen. Aber das war der explizite Wunsch Eberts, die "ganze Wahrheit" zu zeigen.

Gut vertreten in Oldenburg war einmal mehr die New Yorker Independent-Filmszene: Deborah Twiss (deren »A Gun for Jennifer« in Deutschland skandalöserweise noch immer auf dem Index steht) stellte ihre ‚Haunted House’-Variante »A Cry from Within« ebenso persönlich vor wie Regisseur Andres Torres und Hauptdarsteller John Wächter »Bag Boy, Lover Boy«, der gleichermaßen von »Taxi Driver« und Roger Cormans »A Bucket of Bood« inspiriert war: ein Hotdog-Verkäufer mit dem Drang zur Fotografie glaubt, den ersten Schritt zu einer Karriere zu machen, begreift dann, dass er nur ausgebeutet wird und verwandelt sich in eine mörderische Bestie – genau der richtige Film fürs Nachtprogramm.

Als Liebling des Publikums wie der Filmemacher erwies sich Philippe Mora, dem die diesjährige Retrospektive gewidmet war und der auch nach der Mitternachtsvorführung dem Publikum noch Rede und Antwort stand. Dass sein Werk so unterschiedliche Filme umfasst wie den Kompilationsfilm über den Nationalsozialimus »Swastika«, die Superhelden-Parodie »Captain Invincible« (mit Gesangseinlagen), die australische Outlawballade »Mad Dog Morgan« (mit Dennis Hopper), mehrere Horrorfilme (»The Howling«, Teil 2 und 3), den sehr persönlichen Dokumentarfilm »German Sons« und zuletzt mehrere Arbeiten, die als Vexierspiele zwischen Dokument und Fiktion balancieren, macht eine Kategorisierung schwer – aber gerade deshalb passte er ideal zu diesem Festival. Ebenso als Star zum Anfassen erwies sich Hollywoodlegende Sean Young, die auf dem OLB-Walk of Fame mit einem Stern geehrt wurde und im Gespräch offen über ihre wechselhafte Hollywood-Vergangenheit sprach. Schade, dass sie nicht auch mit einem ihrer Filme (wie»Blade Runner« oder »No Way Out«) vertreten war.

Konnte die Weltpremiere des Eröffnungsfilms, Christian Froschs »Von jetzt an kein Zurück« (über eine von den Eltern angefeindete Jugendliebe in den sechziger Jahren) mit 1200 Zuschauern erneut die EWE-Arena füllen, so schloss sich bei der Abschlussgala ein Kreis, als dessen Hauptdarstellerin Victoria Schulz den Seymour Cassel Award in Empfang nehmen konnte.

Mitte Oktober wurde in Oldenburg übrigens ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Im Vorfeld hatten die Spitzenkandidaten der beiden großen Parteien ihre Sympathie für das Filmfest proklamiert und eine Budgeterhöhung in Aussicht gestellt. Spätestens im nächsten Sommer wird man sehen, ob Jürgen Krogmann (SPD) als Nachfolger des bisherigen Oberbürgermeisters, des höchst filmaffinen Gerd Schwandner, sein Versprechen in die Tat umgesetzt hat. Anders als Schwandner (CDU) hätte er dafür jedenfalls eine parlamentarische Basis.

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