Kritik zu Women without Men

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In ihrem Kinodebüt bebildert die iranische Fotokünstlerin Shirin Neshat das Schicksal von vier Frauen an einem entscheidenden historischen Wendepunkt der iranischen Geschichte

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Teheran im Sommer 1953. Ministerpräsident Mohammad Mossadegh hat kurz zuvor die Ölfelder verstaatlicht. Den Westmächten passt das ganz und gar nicht. Unterstützt vom CIA und britischen Geheimdienstlern lässt der Schah das demokratisch gewählte Staatsoberhaupt absetzen und verhaften. Ein Staatsstreich, von dessen Konsequenzen sich das Land bis heute, bis zur Grünen Bewegung und ihrem Protest gegen Ahmadinedschad, nicht wieder erholt hat.

Der Film »Women without Men« nach dem gleichnamigen Roman der Schriftstellerin Shahrnush Parsipur legt eine Lupe auf die Hoffnungen und Unruhen in jenen Tagen, bevor die kurze Phase der Demokratie wieder einer Diktatur weicht. Unter diesem Brennglas hat Shirin Neshat eine Gruppe von Frauen versammelt. Da gibt es das von seinem Bruder beherrschte Mädchen Munis, das so gerne am politischen Leben teilnehmen möchte. Ihre Freundin Faezeh, die sich ausgerechnet in Munis tyrannischen Bruder verliebt hat, und schließlich als entehrte, vergewaltigte Frau die Stadt verlässt. Es gibt die von Männerekel und Selbsthass ausgezehrte Prostituierte Zanir und schließlich die deprimierte Ehefrau Fakhri, die ihren ignoranten Gatten verlässt und sich außerhalb der Stadt eine Villa mit Garten zulegt. Sie alle suchen nach einem utopischen Reich, das sie retten könnte, und finden es wenigstens vorübergehend in Fakhris mystischem Grün zwischen Stadt und Wüste.

Shirin Neshat wurde vor allem mit ihren lyrischen Fotografien und Videoinstallationen bekannt. In ihren Werken beschäftigt sich die Exiliranerin mit kultureller Identität, mit Geschlechterpolitik, Herrschaftsstrukturen, Religion und der Semiotik der Unterdrückung. Von 2004 bis 2008 entstanden fünf Einzelvideos, jedes stellt genau eine der Romanheldinnen aus. In ihrem ersten Kinofilm fügt die Künstlerin vier davon zusammen.

Neshat erzählt nicht linear und bündig, sondern mal sprunghaft assoziativ, dem surrealen Grundton des Romans folgend, und mal nach formalistisch-ästhetischen Kriterien. In ihrem Kameramann Martin Gschlacht, dessen präzise, ikonografisch aufgeladene Plansequenzen man aus den Filmen von Jessica Hausner (»Lourdes«, »Hotel«) kennt, hat sie einen perfekten künstlerischen Erfüllungsgehilfen für ihre Vision vom Kino gefunden. Eine die strenge, atemberaubende Tableaus hervorzaubert, in denen Frauen mit ihren Kleidern untertauchen und wunderschöne Wasserblumen abgeben. Aber auch eine Vision, die vor lauter grafischer Schönheit erzählerisch ihre Mühen hat.

Die filmische Narration und ihre Informationsökonomie sind nicht so sehr Neshats Metier. Sie entspinnt ihre Geschichte von Bild zu Bild. Deswegen trägt »Women without Men« auch so deutlich den Gestus des Zeigens und Bedeutens. Man merkt dem Film von Anfang an an, dass Shirin Neshat von der konsequenten fotografischen Festlegung auf den einen Moment, das Zeichen, die Irritation, kommt. Im bewegter Bilderfolge reihen sich so leicht Einstellungen aneinander, die in Wert und Bedeutsamkeit miteinander konkurrieren und sich in ihrer wuchtigen Wirkung gelegentlich gegenseitig neutralisieren. Jede Geste, jeder Blick, jede Drapierung ist kostbar. Und auch die Protagonistinnen streifen sich in ihrem Ausgestelltsein ihre Gefühle über wie ein teures Gewand.

In einem ausgeklügelten Bilderbuch wie diesem, in dem man von einem vor Schönheit glühenden Garten in einen vor Schönheit surrenden Lichthof tritt, um sich irgendwann in einem vor Schönheit triefendem Stillleben aus den Resten eines Festessens wiederzufinden, sucht man irgendwann nach dem Kleinen, Stumpfen und Unscheinbaren. Doch selbst die Straßenszenen, in der Protestbewegung und Militär aufeinanderprallen, sind bis ins Kleinste durch- und genau um eine schwarzgewandete Munis herumkomponiert.

Eines aber muss man dem Film in seinem selbstverlorenen Schönheitsrausch lassen. Er zitiert im Stil sehr gekonnt die Ästhetik der Melodramen aus den 50er Jahren und bricht sie zugleich an der härteren Farbpalette einer weitaus kritischeren Erinnerung an die eigene Heimat. Wie alte Melodramen ihre reichhaltigen Konflikte über Ausstattung und Dekor sublimieren, entwirft auch Neshat eine Innenarchitektur für ihre traumatisierten Frauen. Das politische Außen dringt nur als Radiostimme in ihre Zimmer. Wir sehen sie im Bad, in ihren Gemächern oder Speisezimmern.

Ob »Women without Men« im Iran so schnell ins Kino kommen wird, scheint dagegen mehr als fraglich. Es gibt Nacktszenen. Der Roman ist verboten, Regisseurin und Autorin haben vor vielen Jahren das Land verlassen. Mehr denn je gehört das Weibliche aus dem öffentlichen Blick entfernt. Frauen haben wie Munis, Zarin oder Faezeh nichts mehr zu tun, als auf die ein oder andere Weise zu verschwinden. Bei allem Zuviel, das man dem Film vorwerfen möchte, blitzt doch diese ernüchternde Wahrheit durch alle Pracht. »Schönheit«, hat Neshat in einem Interview gesagt, »kann auch als Waffe dienen.« Wenn sie damit recht hat, ist »Women without Men« ein ziemliches Schlachtschiff.

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