Kritik zu Wochenendrebellen

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Marc Rothemund gelingt ein bewegendes Beziehungsdrama zwischen Vater und Sohn, die zusammen trotz einschränkendem Autismus auf der Suche nach einem Lieblingsfußballverein durch deutsche Stadien ziehen. Wahr und wahrhaftig zugleich

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Marc Rothemund ist ein Spezialist für Beziehungsdramen, bei denen eine einschränkende Krankheit eine große Rolle spielt. Ihm gelingt es bei diesen immer auch tragischen Inhalten, eine hohe Emotionalität mit einer immanenten Komik zu verbinden, den Humor also zum Diener des Kummers zu machen. So auch bei »Wochenendrebellen«, der auf einer wahren Geschichte beruht, die Jason und Mirco von Juterczenka so oder so ähnlich erlebt und in ihrem Buch »Wir Wochenendrebellen« aufgezeichnet haben. Hier gibt es komische Momente, einen sanften Witz, der nie verletzend sein will, sondern immer dann greift, wenn die Situation unlösbar erscheint. 

Mirco (Florian David Fitz) ist einer dieser Väter, der gern vorgibt, zum Wohl der Familie zu arbeiten, aber auch froh ist, die schwierige Situation zu Hause verlassen zu können. Jason (Cecilio Andresen) ist Autist, hochbegabter Hobbyastronom und Sklave einer alles bestimmenden eigenen Logik. Einmal gefasste Vorsätze werden in jedem Fall eingehalten, auch wenn in der Verkettung ein Teufelskreis entsteht. Als im Speisewagen die Soße und die Nudeln einander versehentlich berühren, entsteht so etwas. Denn dieser Grundsatz, Nudeln und Soße immer getrennt, kollidiert mit zwei anderen. Man darf kein Essen verschwenden und Jason teilt sein Essen nie. Nun kann es weder gegessen noch weggeworfen noch dem Vater gegeben werden. In Panik brüllt Jason seinen Vater an: Löse das Problem!

Mit einem Autisten, der Berührungen nicht mag, dem Lärm die innere Ruhe raubt und der an Tausend Routinen gewöhnt ist, durch die Fußballstadien zu ziehen auf der Suche nach einem Lieblingsverein, ist eine extreme Herausforderung. Hier ist die Wahrheit tatsächlich »stranger than fiction«, denn man hätte sich einen solchen Plot kaum ausdenken können. Und es ist vor allem den Darstellern, zu denen auch Aylin Tezel, Joachim Król und Leslie Malton gehören, zu verdanken, dass dieser Film so wahrhaftig ist. 

Warum aber braucht es überhaupt einen Lieblingsverein? Das schulische Umfeld reagiert nur mit sehr wenig Verständnis auf Jasons Krankheit. Hänseleien sind an der Tagesordnung und auch die Lehrer fühlen sich oft missverstanden. Eine Förderschule ist im Gespräch, für den hochintelligenten Jason eine Katastrophe. Die Idee eines Lieblingsvereins für Jason, vom Großvater (Król) sanft angestoßen, soll ihm die Integration erleichtern.

Es ist erstaunlich, welch tiefe Einblicke in das Krankheitsbild Autismus Rothemund in seinem Film unterbringt. Neben aller Unterhaltung und seiner bewegenden Geschichte leistet der Film ungeheuer viel für das Verständnis einer Krankheit, über die viel geredet wird, über die man aber wenig weiß. So inszeniert Rothemund etwa die akustisch-visuelle Welt eines Autisten völlig unaufdringlich; voller Empathie ist man auf Jasons Seite, auch wenn einen seine Zwänge zur Weißglut bringen würden. Da er wirklich ein Anliegen hat, verzeiht man auch den ein oder anderen stereotypen Moment des Unterhaltungskinos. Und wenn der wirkliche Marco und der wirkliche Jason dann wie zufällig hinter Florian David Fitz und Cecilio Andresen im Stadion sitzen und sagen: »Also ihr sucht einen Lieblingsverein? Das haben wir schon hinter uns!«, findet der Film einen frühen Höhepunkt. 

Denn ein weiterer wichtiger Aspekt des Films ist die Darstellung der Fußballwelt. Selbst wenn man mit dem Breitensport nicht so viel anfangen kann, lässt sich die Fankultur nachvollziehen, die sich nicht nur bei den Favoriten Dortmund oder Bayern zeigt, sondern als Moment der Verbindung bei nahezu jedem Verein. Deshalb scheint es folgerichtig, dass Vater und Sohn durch die Stadien aller drei Profiligen ziehen und auch mal bei einem kleinen Regionalverein landen. Natürlich machen auch hier die typischen Jason-Regeln den beiden die Entscheidung schwer. »Keine bunten Schuhe« ist genauso wichtig wie »keine Nazi-Fans« oder »kein dämliches Maskottchen«. Man ahnt, wie diese Suche endet.

Meinung zum Thema

Kommentare

Wir haben selbst einen Sohn mit ASS. Uns hat der Film gut gefallen, man findet auch viele Situationen wieder, die uns täglich in unserem Alltag begegnen und es ist nicht leicht. Es wäre schön, wenn die Autoren weniger von einer Krankheit reden würden, sicher bringt Autismus Einschränkungen für denjenigen, der es hat, mit sich. Das ist aber zu einem grossen Anteil deshalb so, weil die Gesellschaft, Schule, Supportnetzwerke sich nicht ändern will und neurodiverse Menschen immer noch als betroffene, leidende Opfer betrachtet.

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