Kritik zu True Grit

© Paramount Pictures

2010
Original-Titel: 
True Grit
Filmstart in Deutschland: 
24.02.2011
Heimkinostart: 
30.06.2011
L: 
110 Min
FSK: 
12

Die Brüder Joel und Ethan Coen legen mit ihrem Remake einen Western mit gran­diosen Bildern vor, der sich enger an Charles Portis' Roman hält als sein filmischer Vorgänger von 1969 und so näher an der ursprüng­lichen Geschichte, ihrem Tonfall und auch ihrem wesentlich dunkleren Ende bleibt

Bewertung: 4
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Die Heldin der Geschichte, die die CoenBrüder erzählen, ist die 14-jährige Mattie Ross (Newcomerin Hailee Steinfeld), die in Arkansas um 1870 den Mord ihres Vaters rächen will. Getrieben von der Überzeugung das Richtige zu tun, macht sie sich auf zu einem, wie sie denkt, großem Abenteuer. Doch im Verlauf der Ereignisse erlebt Mattie so viel an Brutalität und Todesnähe, dass auch sie nicht unverändert bleibt.

Unbeirrbar und mit großer Sturheit verfolgt das Mädchen seinen Plan, Tom Chaney (Josh Brolin), den Mann, der ihren Vater kaltblütig ermordet und ihn danach auch noch bestohlen hat, zur Rechenschaft zu ziehen. Mit fast schon abgebrühter Entschlossenheit will sie dazu einen U.S. Marshal rekrutieren, von dem sie gehört hat, dass er »true grit«, Mumm, habe. Ihr scheinbar ungebrochenes Selbstvertrauen zeigt nur dann einen kleinen Riss, als sie mit vor Aufregung geröteten Wangen eben diesem U.S. Marshal Rooster Cogburn (Jeff Bridges) gegenübersteht. Sie versucht, ihn von ihrem Vorhaben zu überzeugen; ihre verräterische Rötung überspielt sie, in dem sie dem ungeschickt hantierenden Cogburn den Tabak einfach und wie beiläufig aus der Hand nimmt, um für ihn das Zigarettendrehen zu übernehmen. Seinerseits ist dieser Reuben J. »Rooster« Cogburn von der Idee, einer 14-Jährigen bei der Umsetzung ihrer Rachepläne zu helfen, wenig begeistert. Nur mittels einer angemessenen Summe, die Mattie in einer wunderbaren Szene einem von ihrer Intelligenz und Beharrlichkeit in die Ecke getriebenen Pferdehändler abhandelt, kann sie ihn für das Unterfangen gewinnen.

Jeff Bridges hat sich in diesem Rooster Cogburn förmlich eingenistet; er lebt diesen alternden, einäugigen, ungepflegten, dicken Mann, der mit der einen Hand den Revolver zieht und mit der anderen die Whiskeyflasche an den ungewaschenen Mund setzt. Seine Unterkunft ist das Hinterzimmer eines Kolonialwarenladens, wo er zwischen Getreidesäcken, Weinfässern, Würsten und geräucherten Enten schläft. Selbst in der letzten Reihe eines noch so großen Kinosaales meint man, ihn riechen zu können.

Entgegen Matties ausdrücklichem Wunsch macht sich Monsieur LaBoeuf (Matt Damon), ein Texas Ranger, mit ihnen auf den Weg. Er verfolgt Chaney wegen Mordes an einem texanischen Senator und dessen Hund. Mit polierten Sporen, onduliertem Haar und gebürsteten Wildlederfransen am Revers wirkt der Dandy wie der Vorläufer eines Cowboys in einer Wildwestshow. Dass er dann doch besser zielen kann als der angesoffene einäugige Cogburn, ist nicht das Einzige, das seinen Charakter im Verlauf des Films rehabilitiert.

Die Entscheidung der Coen-Brüder, sich enger an die Romanvorlage zu halten, ist ausschlaggebend für die neue Tonlage des Films. Ganze Dialoge haben sie direkt aus dem Roman übernommen. Portis bediente sich einer stilisierten Sprache, die mit Bibelzitaten und merkwürdigen Ausdrücken die Charaktere auf der einen Seite scheinbar entrückt, auf der anderen Seite aber trotz dieser vermeintlichen Distanz ins Herz der Geschichte trifft. Vor allem wenn sie mit solcher Überzeugtheit und Direktheit vorgetragen wird wie von der jungen Hailee Steinfeld.

Die drei großartigen Schauspieler im Zentrum umgibt der Film mit nicht minder großartigen Bildern. Roger Deakins, der schon die anderen Filme der Coens in Szene setzte, hat für »True Grit« eine Palette gedämpfter, blasser Farben gewählt. Fort Smith erscheint ausgeblichen von Sonne, Trockenheit und Staub, zwischen Kupfer und Silber oszillierend. Die Landschaftsbilder sind in ihrer Kargheit fast beunruhigend. Weit und ausgedörrt ist das Land, das gezeigt wird; es ist kein Land für Kinder und schon gar keins für alte Männer.

Am Ende, im Epilog, sind die Cowboys tatsächlich alt, und der Wilde Westen ist zum Mythos geworden, der sich in Wildwestshows selbst stilisiert. Irgendwie müsse man für alles im Leben bezahlen – nichts sei umsonst außer »the grace of god«, Gottes Gnade, sagte die erwachsene Mattie Ross (Elizabeth Marvel) im Voice-over zu Beginn des Films und setzte so den Ton für die Geschichte. Auch Mattie muss für das, was zunächst als großes Abenteuer begann, ihren Tribut leisten. Und der ist alles andere als klein. Nichts ist umsonst, diese Lektion erfährt sie buchstäblich am eigenen Leib.

Meinung zum Thema

Kommentare

Für mich ist dieser Spätwestern einer der besten dieses Genres und zwar unter anderem deshalb, weil hier die ganzen abgelutschten Klischees der 1930er-1950er-Jahre weitgehend fehlen. So gibt es auch auch keine plakative Kameraderie wie in den alten Western, wo sie meist durch gemeinsames Komasaufen und spätpubertäre Raufereien etwas infantil verdeutlicht wird, aber wenn es wirklich darauf ankommt, sind in dem Coen-Brüder-Meisterwerk die Protagonisten dieser nicht immer einträchtigen Rächer-"Zweckehe" mit vollem Einsatz für einander da, "True Grit" hat also sehr wohl eine Seele, allerdings keine aufdringliche. Und alle drei Rollen sind perfekt umgesetzt, besonders berührt die glaubhafte Darstellung des sturen, klugen und tapferen Mädels Mattie und ihr Schicksal bis zum bemerkenswerten Epilog.

Dieses Remake bzw. vielmehr diese Neuinterpretation des 1968er Westerns "Der Marshal" (mit John Wayne in der Titelrolle und unter der Regie von Henry Hathaway) hat mir besser als das Original gefallen, obwohl ich ein alter John-Wayne-Fan bin. Die Coen-Brüder beleben hier das Western-Genre auf herzerfrischende Weise wieder neu. Vom hervorragenden Drehbuch mit seinen lakonischen Dialogen und Einsprengseln schrägen Humors über die wunderbare Besetzung, die präzise Ausstattung und die kongeniale Kameraführung bis zum stimmigen Soundtrack passt einfach alles, das Ergebnis ist keine Kopie des berühmten Vorgängerfilms, sondern eine großartige zeitgemäße Hommage an das Genre. Mit Recht wurde der 2010er "True Grit" von den Coen-Brüdern ein gigantischer Kassenerfolg!

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