Kritik zu Tics – Mit Tourette nach Lappland

© Salzgeber

2021
Original-Titel: 
Tics – Mit Tourette nach Lappland
L: 
94 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Mitmenschen, vor allem, wenn sie sich einmischen, verstärken das Syndrom. ­Thomas Oswald porträtiert drei Tourette-Patienten auf der Suche nach Ruhe

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Es fängt harmlos an. Mit permanentem Schniefen oder Räuspern. Bis zu einem gewissen Grad gelten unwillkürliche Zuckungen sogar als Signatur der Normalität. Robert De Niro fasst sich beiläufig an die Nase oder zwickt sich geistesabwesend ins Ohrläppchen. Problematisch werden solche Mikro-Ausbrüche, wenn sie sich der Kontrolle entziehen. Also wenn andere Menschen in der U-Bahn sich umwenden, weil man permanent mit dem Kopf wackelt oder Schnalzlaute von sich gibt.

Benannt wurde dieses Syndrom nach dem französischen Neurologen Gilles de la Tourette, der es im 19. Jahrhundert diagnostizierte. Drei Menschen, die unter dieser Störung leiden, begleitet Thomas Oswald mit der Kamera. »Tics« ist ein typischer Dokumentarfilm. Es gibt keine journalistischen Erklärungen. Relevante Informationen geben zu Wort kommende Ärzte. Etwa dass das Ausstoßen von Schimpfwörtern (Koprolalie) einen nicht so häufigen Spezialfall darstellt. Und dass es bei Tourette keine »Biomarker« gibt. Also keine messbaren Parameter für eine medizinisch indizierte Krankheit.

Fachleute stochern daher im Nebel. Eine Psychologin erklärt, Kiffen würde helfen. Da andere Menschen als »kommentierende In­stanz« fungieren, entwickeln der Neurologe Alexander Münchau und der Psychiater Daniel Alvarez-Fischer eine Isolationstherapie. Die Kamera begleitet drei Tourette-Patienten auf ihrer Reise nach Lappland. Abgeschirmt vom Stress der Gesellschaft, nehmen Daniel, Marika und Leo in der Einöde unter anderem an einem schamanischen Ritual teil. Dabei entsteht eine intime Nähe zu den drei Menschen und ihren Geschichten.

Das dokumentarische Roadmovie lässt Ruhe aufkommen. Die Kamera steigt in die Lüfte und blickt kontemplativ auf einen malerischen See. Ob es für die Patienten was gebracht hat, lässt der zuweilen esoterisch anmutende Film offen. Er vermittelt aber, wie peinigend für Betroffene dieser geistige Schluckauf ist, bei dem permanent ein inneres Teufelchen nach außen drängt.

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