Kritik zu Sound it Out

© Neue Visionen

2011
Original-Titel: 
Sound It Out
Filmstart in Deutschland: 
10.05.2012
L: 
75 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Vinyl heißt es, seit es keiner mehr braucht: Jeanie Finlay porträtiert in ihrem Dokumentarfilm einen Plattenladen und seine kulturell sich stark ausdifferenziert habende Klientel

Bewertung: 3
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Im Norden Englands liegt die kleine Stadt Stockton-on-Tees. Hier gibt es einen herrlich altmodischen Schallplattenladen, der nicht von einer großen Kette geschluckt wurde, weil es sich wahrscheinlich nicht lohnt. »Sound It Out« heißt dieses liebevoll geführte Geschäft, dem Jeanie Finlay ihre gleichnamige Dokumentation widmete. Dass dieser mit bescheidenen Mitteln inszenierte Film es ins Kino schafft, ist nicht verwunderlich, denn das Thema Vinyl ist seit einigen Jahren wieder in. In Kino- und TV-Produktionen sieht man immer wieder einen Plattenspieler auftauchen – doch das ist nicht Jeanie Finlays Thema. Ihr knapp 80-minütiger Film erscheint wie eine Zeitreise zurück in eine vergangene Ära des Musikgeschäfts. Der kleine Verkaufsraum von »Sound It Out« ist vollgestellt mit Kisten, in denen unzählige Alben in speckig wirkenden Plastikschutzhüllen stecken. An den Wänden hängen Picture-Discs und verknitterte Poster von Abba bis Zappa. In diesem Chaos findet sich, wie sollte es anders sein, nur einer zurecht: Mit sicherem Griff zückt Tom, der den Laden seit 17 Jahren betreibt, auf Wunsch jede noch so exotische Scheibe aus der Versenkung. Mit einem Tuch befreit er das Vinyl von dem Staub, der sich über die Jahre abgesetzt hat.

Diese Geschichte ist natürlich nicht abendfüllend, kaum hat sich die Kamerafrau in diesem Laden einmal um ihre Achse gedreht, ist alles erzählt. Aus diesem Grund filmt Jeanie Finlay das, was sich filmen lässt – und das sind in diesem Fall die wunderbar schrulligen Kunden. Ihre Hausbesuche bei Hörern und Sammlern erweisen sich als dankbares Sujet. Die Filmemacherin ist zu Gast bei nervösen DJs und einem Status-Quo-Fan, der jede noch so entlegene Devotionalie dieser Band besitzt. Sie spricht mit zwei Luftgitarre spielenden Grufties und einem selbstironischen 50-jährigen Junggesellen, der »noch zu haben« ist. Jeanie Finlay lässt sich die 3000 alphabetisch geordneten Alben eines schüchternen Versicherungsangestellten zeigen, und sie zwängt sich in eine enge Gartenhütte, wo pausbäckige Raver Stakkato-Beats lauschen.

Das alles ist kurzweilig, skurril und wunderbar anzusehen. Man möchte die Regisseurin in den Arm nehmen und ihr für dieses liebenswürdige Sittenbild danken. Dabei muss man ihr allerdings ins Ohr flüstern, dass ihr filmischer Streifzug durch dieses nordenglische Soziotop den nicht ganz richtigen Eindruck erweckt, als wäre die gezeigte Klientel repräsentativ für gegenwärtige Schallplattenliebhaber. Es entsteht die Anmutung, als würden sich in diesem Plattengeschäft die letzten Vinyl-Mohikaner vor der digitalen Revolution verschanzen. Läden wie »Sound It Out« tauchen jedoch vermehrt auf, sogar im provinziellen Frankfurt. Zudem ist Vinyl nicht nur ein nostalgisches Retrophänomen. Mit audiophilen 180-Gramm-Pressungen und hochwertigem Equipment verzeichnet die Branche wieder Zuwächse. Für das gegenwärtige Vinyl- Revival sind die porträtierten Kunden von Sound It Out daher so repräsentativ wie Horrorfilmfans für normale Kinogänger. Und so erscheint Jeanie Finlays Dokumentation trotz ihrer Verdienste irgendwann wie eine alte Flohmarktplatte, die immer an derselben Stelle hängt.

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