Kritik zu Risiken & Nebenwirkungen

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Spenden oder nicht spenden, das ist hier die Frage: In Michael Kreihsls Adaption eines Bühnenstücks von Stefan Vögel gerät eine Ehe über die Frage einer Organspende in die Krise

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Die alljährliche Routineuntersuchung zeitigt leider kein erfreuliches Ergebnis: Pilatestrainerin Kathrin braucht eine neue Niere. Offenbar fordert die jahrelange Einnahme von Medikamenten gegen Migräne jenen Tribut, der auf den beigegebenen Waschzetteln unter der Rubrik »Risiken und Nebenwirkungen« zu finden ist: Nierenschaden, perspektivisch: -versagen. Nun hat der Mensch ebenso praktischer- wie überraschenderweise nicht nur eine, sondern zwei Nieren, ja, er kann sogar mit nur einer der beiden (weiter)leben. Woraus folgt, dass im Falle der Not eine sogenannte Lebendspende möglich ist, jedenfalls wenn die Blutgruppe stimmt. Kathrins Blick fällt auf Arnold, den Mann an ihrer Seite, den, der einst vor dem Altar geschworen hatte, ihr beizustehen, in guten wie in schlechten Zeiten. Nun ja, bald schon werden sich noch ganz andere Risiken und Nebenwirkungen erweisen . . .

Arnold nämlich, der Mann an Kathrins Seite, wird gespielt von Samuel Finzi, dessen darstellerische Persona im Allgemeinen nicht den strahlenden Helden nahelegt, sondern eher den Feigling. Beziehungsweise den, der erst einmal im Hintergrund die Entwicklung der Lage abwartet, während andere im Getümmel bereits Kopf und Kragen riskieren. Ja, manchmal haftet Finzis Figuren sogar etwas Unterwürfiges an; gut verbergen kann sich darin dann eine gewisse Hinterfotzigkeit, etwas unberechenbar Doppelbödiges. Samuel Finzi also, brillanter Theater-, Film- und Fernsehschauspieler, verlässliche Verkörperung des unheroischen Mannes mit, sofern geboten, gehöriger komödiantischer Schlagseite – Finzi ist es, der »Risiken & Nebenwirkungen« von Michael Kreihsl im Innersten zusammenhält. 

Denn Kreihsls solide Adaption eines 2014 uraufgeführten Theaterstücks des österreichischen Kabarettisten Stefan Vögel kommt visuell nicht recht über fernsehästhetisch biederes Niveau hinaus und bleibt zudem arg am Bühnenhaften kleben. Das wäre eher langweilig anzusehen, wäre da nicht Finzi, wie er seine Figur erforscht, demontiert und dabei doch nicht verrät: Arnold ist ein viel beschäftigter Architekt, der das für alle anderen offensichtlich Phallische des von ihm entworfenen Hochhauses standhaft (ver)leugnet; ein Running Gag, der eine irritierend faszinierende Verdrängungsebene in diesen Männerentwurf einzieht. Die wiederum Finzi fruchtbar zu machen versteht, indem er Arnold als Helden im Konjunktiv konzipiert: Er würde, wäre und hätte gern . . . dann lieber doch nicht.

Keinesfalls zu vergessen oder gar zu unterschätzen sind die Finzi flankierenden Schauspielkolleg:innen: Inka Friedrich als zunehmend entgeisterte Ehefrau Kathrin sowie Pia Hierzegger und Thomas Mraz strohtrocken aufspielend in den Rollen des bestbefreundeten Ehepaars Diana und Götz. Die drei halten sich mit ihren Charakterisierungen vergleichsweise zurück, bringen ihre jeweilige Figur jedoch im genau richtigen Moment exakt auf den klischeehaften Punkt und bereiten solcherart die Bühne, auf der Arnold sich schlussendlich formvollendet zum Trottel machen kann.

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