Kritik zu Making Montgomery Clift

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Kein Biopic wie andere, sondern eine Gegengeschichtsschreibung aus familiärer Betroffenheit: Der Neffe des Hollywoodstars rechnet mit dessen Biografen ab und versucht, ein differenzierteres Bild seines Lebens zu zeichnen

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Wenn er seinen Onkel auf der Leinwand oder dem Bildschirm sah, sagt Robert Clift im Off-Kommentar, ergriff er augenblicklich Partei für ihn. Der Schauspieler buhlte nicht darum; es war leicht, ihm zugewandt zu sein: Er war so feingliedrig und sensibel, seine Augen stellten so dringende Fragen. Wenn ihm ein Lächeln gelang, dann war es strahlend, und man spürte, dass in seinem jugendlichen Elan nicht nur Wehmut steckte.

Mit Montgomery Clift trat nach dem Weltkrieg eine ganz neue Leinwandfigur auf den Plan, verletzbar, lebenshungrig und aufbegehrend. Sein Leben schien diese Zerrissenheit zu beglaubigen, stets wird es als Tragödie erzählt, meist als ein Hadern mit seiner sexuellen Identität. Die Legende vom längsten Selbstmord im Showgeschäft war seiner Familie unerträglich. Sie bestand auf einer anderen Wahrheit. »Making Montogmery Clift« erzählt die Geschichte einer tiefen Kränkung, die durch mehrere Generationen geht. Sein Bruder Robert bewahrte manisch alles auf, was Montgomery hinterlassen hat, machte zahllose Ton- und Filmaufnahmen, die beweisen sollten, dass sein Lächeln keine Hollywoodlüge war. Dessen Sohn Robert will, zusammen mit der Co-Regisseurin Hillary Demmon, die alten Rechnungen begleichen; vor allem mit den Biografen des Schauspielers, von denen die Familie sich verraten fühlte.

Das ist so, als würde man eine Wunde betrachten, die heilen soll, aber immer wieder aufgerissen wird. Robert tritt dies Erbe befangen, aber offenen Auges an. Er geht so obsessiv vor wie sein Vater, argumentiert mit einer Kakophonie der Zeitzeugen und einem Tumult der Archivaufnahmen. Nebenbei ist sein Film auch eine Archäologie der Überlieferungsmedien, ruft Tonbänder, Audio- und Videokassetten als Indizien auf. Er stellt Aussagen in den Zusammenhang, aus dem sie gerissen wurden, und fördert schwerwiegende Nuancen zutage. Was er wohl von den häufig sinnverfälschenden deutschen Untertiteln halten mag?

Brooks war davon überzeugt, dass sich das große Rätsel Monty nur im genauen Blick auf seine Arbeit lösen lässt. Der Film bringt seine Hingabe an die Rollen zum Schillern. Ausschnitte aus »Ein Platz an der Sonne«, »Verdammt in alle Ewigkeit« und »Die jungen Löwen« zeigen, dass er mit Haut und Haaren für sie einstand. Mit sicherem Instinkt schrieb er seine Dialoge um. Er kannte seine Figuren besser als die Drehbuchautoren, wie die brillanten Split-Screen-Kompositionen belegen, in sein Spiel und seine Drehbuchveränderungen parallel laufen. Auf die wirkliche Tragödie dieses Lebens – den Verkehrsunfall, der sein Gesicht zertrümmerte – kommt der Film erst spät zu sprechen. Auch hier bietet er eine andere Lesart an: Danach war Monty eben nicht das haltlose Nervenbündel der Legende, sondern kämpfte nur noch entschlossener mit den Rollen. Seine Schönheit, mit der er immer im Reinen gewesen sei, trübte nun nicht mehr den Blick auf sein unfassbares Talent. Sein Körper wurde nicht zerstört, heißt es im tröstlichsten Satz des Films, sondern war einfach nur anders.

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