Kritik zu Langes Echo

© JIP Film

2016
Original-Titel: 
Langes Echo
Heimkinostart: 
23.04.2020
L: 
87 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Vom Überleben in Kriegszeiten: Lukasz Lakomy und Veronika Glasuwa haben einen Film über einen kleinen Ort und seine Bewohner in der Ost-Ukraine gedreht

Bewertung: 4
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Von der Stadt Donezk und ihrer Umgebung hört man bei uns eigentlich nur dann, wenn ein Fußballclub in einer der europäischen Ligen gegen den ukrainischen Erstligisten Schachtiar Donezk spielt. Aber seit 2014 herrscht im sog. Donez-Becken (»Donbas«) in der Ost-Ukraine ein permanenter Krieg zwischen den ukrainischen Truppen und den prorussischen Rebellen, die mit Putins Unterstützung eine autonome Republik ausrufen wollen. Mehr als 13 000 Menschen bisher sind ums Leben gekommen in dieser Gegend, die auch bei uns in die Nachrichten kam, als die Separatisten ein Verkehrsflugzeug einer malaysischen Airline mit knapp 300 Passagieren an Bord abschossen. 

Doch »Langes Echo« zeigt keine Kriegshandlungen, sondern erzählt davon, wie die Bewohner des Städtchens Dobropolje (was soviel heißt wie »gutes Feld«)  ihren Alltag vor dem Hintergrund beständiger Kampfhandlungen und Toten leben. Der Krieg wird dabei aber nicht ausgeblendet, er schwebt beständig über der Stadt. Im städtischen Kulturhaus etwa probt die Death-Metal-Band »Rage of Madness« ihren lauten Sound, und danach sagt einer von ihnen, dass man nie wisse, ob nicht doch eine Rakete auf einen niedergeht und so den Zustand ständiger Bedrohung beschreibt. Nur einmal verlässt der Film den Ort und zeigt während einer Busfahrt die zerschossene Umgebung des Städtchens. Der Krieg ist nicht weit von Dobropolje. 

Gesprochen wird in diesem Film meistens Russisch. Was sich aus der Historie der Stadt erklärt, in die nach dem Zweiten Weltkrieg sehr viele Russen eingewandert sind, um in den Bergwerken zu arbeiten. Und die es heute nicht verstehen können, dass sie, obwohl sie sich mit der Ukraine identifizieren, auf ihre ehemaligen Landsleute schießen sollen. Die Geschichte von Dobropolje referiert die in solchen Dingen offenbar geübte Tatjana im kleinen städtischen Museum. Sie erzählt vom Wachsen der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg (»Phönix aus der Asche«) und von dem Umstand, dass Dobropolje einen Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde habe: als Ort der kürzesten Trolley-Bus-Strecke der Welt. Tatjana betreibt auch eine kleine Partnervermittlungsagentur. 28 Paare haben sich so schon gefunden, sagt sie stolz. 

Solche kleinen, privaten Visionen stellt der Film immer wieder den militärischen Ritualen und Reden gegenüber. Nikolaj etwa will so etwas wie einen Mini-Zoo in Dobropolje aufziehen und sucht einen Gecko, der aber wegen eines Passierscheins nach Donezk schwer zu besorgen ist. In einer Mal- und Werkschule betreut eine Lehrerin  Kinder aus den umkämpften Gebieten. In einer Massagepraxis werden die Patienten auf einem Stuhl ordentlich durchgerüttelt. Wenn »Langes Echo« Personengruppen zeigt (zum Beispiel beim Yoga), wirken die oft wie einem Film von Roy Andersson entnommen. Aber es sind die Verhältnisse, die diese Absurdität erzeugen.

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