Kritik zu Kung Fu in Rome
Der Italiener Gabriele Mainetti wagt in seinem Film einen atemberaubenden Genre-Mix aus Kung-Fu-Action und interkultureller Liebesgeschichte
Die Chinesin Mei hat von klein auf Kung-Fu gelernt. Wie gut sie die Kampfkunst beherrscht, erfahren wir gleich zu Beginn. Auf der Suche nach ihrer entführten Schwester verschlägt es Mei in ein römisches Bordell, wo eine Triaden-Puffmutter ihr auf die Frage nach dem Verbleib der Schwester nicht antworten will. Also zerlegt Mei nicht nur das gesamte Etablissement. Auch in der Küche eines angrenzenden Chinarestaurants wimmern Dutzende Bodyguards vor Schmerz, nachdem Mei sie in siedendem Öl gegrillt hat.
Schon zu Beginn brennt Gabriele Mainetti in seinem neuen Film ein atemberaubendes Kampfballett-Feuerwerk ab. Überdreht-humorvoll wie bei Jackie Chan, zugleich aber schmerzvoll brutal wie die stilbildende Korridorkampfszene in Park Chan-wooks »Oldboy«, wo eine comicartige Schlägerei sich realistisch wie in einem Splatterfilm anfühlt. Obendrein ist die Heldin von »Kung Fu in Rome« – verkörpert von der aus Disneys »Mulan« bekannten Stuntfrau Yaxi Liu – eine Seelenverwandte von Uma Thurman aus »Kill Bill«.
Was also soll nach dieser furiosen Auftaktsequenz überhaupt noch kommen? Mainetti, bekannt für seine ungewöhnlichen Genre-Mixturen, hat einen Plan. Anders als in konventionellen Martial-Arts-Filmen, die Kampfszene an Kampfszene reihen, holt der Italiener erst einmal tief Luft, um eine abenteuerlich verdrehte, zuweilen hinreißend absurde Martial-Arts-Liebesgeschichte einzufädeln. Prügeleien werden dabei deutlich reduziert, aber dennoch wird das Epos, das Rom aus ungewöhnlichen Perspektiven ins Bild setzt, keineswegs langatmig.
Dem Regisseur gelingt nämlich eine im positiven Sinn irritierende Verschmelzung unterschiedlicher Welten. So beginnt das Rachedrama mit einer Szene, die den Studio-Look eines Hongkong-Kung-Fu-Films aus den 1970ern kopiert. Die in der Gegenwart angesiedelte Geschichte handelt von einem Vater, der sich gegen die Einkindpolitik der chinesischen Diktatur auflehnt und seine zweite Tochter, Mei, versteckt. Als die erwachsene Mei ihre entführte Schwester in der Chinatown von Esquilino sucht – einem Viertel, das eine der größten chinesischen Gemeinden Roms beherbergt –, reist sie eigentlich von China nach Italien. Im Grunde aber bewegt sie sich nur von einer Kulisse in die andere.
Diese Künstlichkeit des Schauplatzes erzeugt eine Irritation, mit der der Film fantasievoll spielt. So verliebt sich Mei in den Koch Marcello (Enrico Borello), der allerdings erst einmal spüren muss, was eine Handkante ist. Ein wenig verworren ist dieser Plot schon – aber er funktioniert dank wundervoll überzeichneter Charaktere. So kommunizieren Marcello und Mei nur via Handy-App. Shanshan Chunyu als Triaden-Boss Mr. Wang ist fasziniert von italienischem Rap. Am witzigsten ist Marco Giallini als Marcellos Onkel Annibale, der das Klischee eines italienischen Mafiosos bis zur Kenntlichkeit entstellt. Da der Film auch vom Kochen handelt, könnte man ihn als italienisch-chinesisches Crossover bezeichnen, als Pizza Chopsuey.
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