Kritik zu Ich sterbe. Kommst du?

© Barnsteiner Film

2025
Original-Titel: 
Ich sterbe. Kommst du?
Filmstart in Deutschland: 
13.11.2025
L: 
98 Min
FSK: 
Ohne Angabe

In seinem hautnahen Porträt einer 38-jährigen Krebspatientin im Hospiz zeigt Regisseur Benjamin Kramme, dass es keine richtige Zeit zum Sterben gibt und man immer versuchen muss, mit dem Leben selbstbewusst abzuschließen

Bewertung: 4
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Normalerweise sind Filme nicht zartbesaitet, wenn es ums Sterben geht. Kugeln fliegen so zahlreich wie Regentropfen durch die Kinogeschichte. Unzählige Leichen liegen in den Kellern der Kinosäle, von den Fernsehzimmern mal ganz zu schweigen. Und doch entsteht ein Schaudern, wenn der Tod uns zu nahekommt, wenn man zuschauen muss, wie er seine Arbeit macht und die Unausweichlichkeit vor dem endgültigen Aus die Szene bestimmt. Dabei muss gar kein Blut fließen, es geht nicht um kinematographische Details. Der Tod ist das große Unbekannte, dem wir alle irgendwann gegenübertreten müssen.

Die alleinerziehende Mutter Nadine (Jennifer Sabel) hat Krebs im Endstadium. Austherapiert heißt der euphemistische Ausdruck, den die Ärzte verwenden, und so packt sie ihre Sachen und zieht widerwillig ins Hospiz. »Wellnessurlaub«, sagt sie zynisch, als sie dort ankommt, und fragt eine Mitpatientin, wie man beim Sterben noch so fett sein kann. Ihren kleinen Sohn Dexter bringt sie vorher noch bei ihrer Mutter unter, auch das eher halbherzig, denn das Verhältnis ist nicht das beste. Aber Dexters Vater, einem volltätowierten Motorradfahrer, traut sie die Übernahme der Erziehung erst recht nicht zu. Und doch sehnt sie sich nach ihrem Sohn, der in der Frau mit den raspelkurzen Haaren seine Mutter nicht mehr erkennt und hofft, auch bald tot zu sein, um sie endlich wieder bei sich zu haben. Er versteht den Tod nicht, weigert sich fortan, zu kommen, und ignoriert den Hilferuf der Mutter, der den Titel ausmacht. Sie hingegen, obwohl ihr nur wenig Zeit bleibt, findet sich langsam in die knorzige Zwangsgemeinschaft des Hospizes ein und nimmt dem Tod dadurch tatsächlich etwas von seiner schwarzen Ausstrahlung.

Benjamin Kramme hat mit »Ruf der Mutter« einen Film über das Loslassen gedreht, darüber, zu akzeptieren, was man nicht ändern kann, und trotzdem nicht zu resignieren. Sterben kann man nicht üben. Man kann es auch nicht falsch machen, man kann es nur ertragen. Indem er einen ungeschönt ehrlichen Blick auf das Sterben wirft und immer wieder auch humorvoll von den Herausforderungen erzählt, nimmt er seinem Film die Beklemmung, die das gesellschaftliche Tabu Sterben immer noch auslöst. Fast jeder Hospizbewohner hat seine innere Verzweiflung in ein Trugbild der Wirklichkeit umgemünzt und geht entweder mit übermäßiger Sanftheit oder aggressiv und ablehnend damit um.

Und dann gibt es die, die jede Wirklichkeit bereits verloren haben und unter dem Lachen der anderen nicht mehr leiden. Wenn der Tod zuschlägt, gibt es auch im Hospiz, wo eigentlich alle auf ihn warten, schreckliche Überraschungen. Beim diesjährigen Festival Max Ophüls Preis gewann dieses, trotz einiger erzählerischer Klischees doch sehr gelungene Debüt den Preis für den gesellschaftlich relevanten Film. In der Jurybegründung wurden das »Feingefühl und die Klarheit« hervorgehoben und die Aussage, »dass wir auch am Ende Bedeutung in das Leben anderer tragen können. Denn wer diesen Film sieht, braucht vor nichts Angst zu haben.«

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