Kritik zu Es ist schwer, ein Gott zu sein

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Wild, wüst und wagemutig: Der letzte Film des russischen Regisseurs Aleksei ­German, inspiriert durch einen Roman der Brüder Strugazki, ist ein Blick in eine Welt voller Gewalt und Verfolgung – und wurde zu seinem Vermächtnis

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4 (Stimmen: 1)

Dieser Film ist ein Monstrum. Eine Zumutung. Was in einer ersten langen Einstellung, die die pastorale Stimmung eines Breughel-Gemäldes atmet, beginnt, wird zu einem Abstieg in eine Hölle – oder eine höllische Gesellschaft. Da wird auf allerlei barbarische Art getötet, da wird gefoltert, geschissen, gekotzt, gesoffen, gerülpst, alles in einem Abgrund aus Schlamm und Dreck, unter immerwährendem Regen. Da werden Augen ausgestochen, und die Därme eines Gefolterten quellen aus seinem Körper. Die Kamera ist ganz an ihren Figuren, an ihren Köpfen, mit den nassen, fettigen Haaren, und wenn kein Gesicht im Bild ist, hängen Stricke oder Gefäße vor dem Auge des Betrachters. Die Befreiung durch eine Totale gönnt sich dieser Film äußerst selten. Fast drei schwarzweiße Stunden dauert dieses physische Kino. Ein Otto Mühl oder auch ein Christoph Schlingensief hätten ihre Freude an dieser Totenmesse des Ekels gehabt.

Monströs ist dieser Film auch noch in einem ganz anderen Sinn: Von 2000 bis 2006 drehte Aleksei German, der bei uns durch den wunderbaren »Mein Freund Ivan Lap­shin« (1985) bekannt wurde, unter anderem an Originalschauplätzen in der Tschechischen Republik und in den Lenfilm Studios, dann arbeitete er jahrelang an der Postproduktion, während der er im Februar 2013 starb. Seine Frau Svetlana Karmalita und sein Sohn Aleksei German, ebenfalls Regisseur, vollendeten ihn. Nur sechs Filme konnte German der Ältere realisieren.

Den Hintergrund seines Films, der nach einem Roman der russischen Science-Fiction-Autoren Arkadi und Boris Strugazki, interessiert German nur wenig: Er handelt ihn zu Beginn in einem kurzen Offkommentar ab, und man muss sehr genau hinhören (bzw. wegen der Untertitel: hinsehen), um der weiteren Handlung, wenn man denn von so etwas sprechen kann, folgen zu können. Auf einen Planeten, der der Erde gleicht, werden Wissenschaftler zur Beobachtung geschickt. Die Gesellschaftsentwicklung ist rund 800 Jahre der Erde hinterher, also im Mittelalter – eine Renaissance wird es aber nicht geben, weil die »Grauen« alle Intellektuellen und Bücherliebhaber killen. Als das Buch der Strugazkis 1964 herauskam, wurde es als eine Parabel auf die Verfolgungen unter Stalin aufgenommen. Der Wissenschaftler Rumata, ein »Don«, ein als gottgleich angesehener Adliger, ist die Hauptfigur des Films – und beladen mit der Auflage, nicht in die Geschichte eingreifen zu dürfen.

Peter Fleischmann hat 1990 aus der Vorlage einen ziemlich geradlinigen Science-Fiction-Film gemacht. Das ist nicht Germans Sache. Noch mehr als von seinem Vorläufer setzt sich »Es ist schwer, ein Gott zu sein« von einem anderen großen Mittelalter­epos ab: von Tarkovskis Meisterwerk »Andrei Rubljow«, auf das German auch motivisch vielfach anspielt. Wenn Tarkovski in seinem Film vom Ikonenmaler von Befreiung und Aufbruch erzählt, so ist Germans Film bewusst fatalistisch: das Bild einer Gesellschaft, die stehen geblieben ist.

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