Kritik zu Endlich unendlich

© Real Fiction Filmverleih

2021
Original-Titel: 
Endlich unendlich
Filmstart in Deutschland: 
16.06.2022
L: 
92 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Niemand will alt sein, aber fast alle wollen es werden: Stephan Bergmann versucht eine dokumentarische Bestandsaufnahme verschiedener Anti-Aging-Bestrebungen

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Der Tod ist die bedeutsamste Konstante in der Existenz des Menschen – als großer Vernichter und Quell von Philosophie, Forschung und Kunst. Seit antiken Zeiten gibt es auch menschliche Bestrebungen, ihn zu hintergehen. Diese wurden in den letzten Jahren von den rasanten Fortschritten in Biologie und Medizin befeuert. Dabei hat sich eine Vielfalt von Ansätzen zum Thema »Life Extension« gebildet, deren Ziele von der Verlängerung der Erdenzeit um ein paar Jahre bis zum Versprechen auf ewiges Leben reichen. Einige eher extreme VertreterInnen der Szene sind die ProtagonistInnen dieses Films. 

Dabei sind medial bekannte Größen wie der langjährige CEO der Alcor Life Extension Foundation, Max More, Ehefrau Natasha Vita-More und die Selbst-Experimentatorin Liz Parrish. Oder der britische Biogerontologe Aubrey de Grey, der eine Stiftung zum Thema Nicht-Altern gegründet hat. Dazu kommen noch einige sogenannte transhumanistische Philosophen und Gründer, die in Heimlaboren an Biohacks oder Gen-Manipulationen arbeiten. Gemeinsam ist ihnen der Wunsch nach der Optimierung menschlicher Körper. Und die Überzeugung, dass Altern kein natürlicher Prozess sei, sondern eine Krankheit, der sich medikamentös, gentechnisch oder digital beikommen ließe. Etwa mit »Mind-Clones« des Gehirns, die nach dem Ableben der eigenen »Wetware« als »Software« unendlich weiterleben. 

Großen Raum nimmt im Film die Firma Alcor ein, in deren kalifornischen Firmenräumen unzählige spiegelglänzende große Glastonnen (sogenannte Deware) zur Kryokonservierung stehen. Jede von ihnen enthält vier in Stickstoff gefrorene ganze Leichname und fünf Gehirne, die auf Wiederbelebung in Zeiten medizinischen Fortschritts warten, wie Max More erzählt. Nicht alle davon sind menschlich. Wenn Natasha Vita-More mit den Worten »I love you Oscar« zärtlich eine der Tonnen berührt, meint sie ihren geliebten Hund, zu dessen Gehirn sie einst einen neuen Körper schaffen will. 

Regisseur Stephan Bergmann (»Die letzten Gigolos«) kombiniert Interviews mit inszenierten Passagen, abstrakten Zwischenbildern und schönen Landschaftstotalen. Und – als Rahmung und einzige Gegenstimme – Auftritte des französischen Schriftstellers Frédéric Beigbeder, der den Solopart des kritisch kommentierenden Erzählers erhält, der das »fatale, morbide und makabre« Menschsein gegen die vorgestellten Konzepte vom Übermenschentum verteidigt. 

So konstruiert der Film einen Dualismus zwischen den allesamt anglophonen ForscherInnen und überhöhter französischer Intellektualität. Zum Erkenntnisgewinn wäre es vermutlich produktiver gewesen, neben der Seite der Anti-Ager auch kritische Positionen inhaltlich breiter aufzustellen – und die entsprechenden Geschäftsmodelle anzusprechen. So bleibt viel im Ungefähren. Und wenn Autor Beigbeder am Ende in einer einsamen Bucht zur Rede von der Unendlichkeit des Augenblicks mit bloßen Füßen seine Spuren in den Sand setzt, scheint das wie eine kitschige Karikatur romantischen Künstlertums.

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