Kritik zu Die Frau, die sich traut

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Krebs als Motivationsschub ohne Larmoyanz – das ist die Botschaft von Marc Rensings abgeklärtem Film, der eine Frau mit knapp 50 Jahren schwimmend durch den Ärmelkanal schickt

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Gerade musste sie noch miterleben, wie ihr Mann an einem Gehirntumor stirbt, da hat sie selbst schon Krebs. Steffi Kühnert bleibt nichts erspart. Doch bevor wir aus Die Frau, die sich traut leichtfertig eine Fortsetzung von Halt auf freier Strecke machen, wenden wir uns der Geschichte selbst zu, die schließlich ganz anders ist. Außerdem lagen für Steffi Kühnert eine Handvoll Filmarbeiten dazwischen. Jetzt spielt sie die Mutter zweier Kinder, die obwohl schon um die dreißig, immer noch an ihrem Rockzipfel hängen, zumindest was Babysitting, Wäschewaschen oder Essenkochen angeht. Als sie erfährt, dass sie Unterleibskrebs hat, beginnt eine innere Wandlung. Beate war einst die beste Schwimmerin der DDR. Doch bevor sie nach Moskau zu den olympischen Spielen fahren konnte, wurde sie schwanger. All die Anabolika und Steroide hätten dem ungeborenen Kind geschadet – also gibt sie ihre Ambitionen auf und wird Mutter, ohne Wenn und Aber. Bis heute. Doch der Krebs verändert alles, macht das Ende des Lebens auf ganz neue Weise erfahrbar, und führt Beate zurück zu ihren Anfängen. Mit knapp 50 Jahren und 30 Jahre ohne Training will sie den Ärmelkanal bezwingen, den Mount Everest für Schwimmer, wie sie sagt. Und beginnt hart zu trainieren. Ein Traum, so absurd wie lebensrettend.

Marc Rensing, der sich spätestens mit seinem Film Parkour einen Namen gemacht hat, geht mit der Krebsthematik auf besondere Weise um. Natürlich kann auch er die Angst um Gesundheit und Leben nicht ignorieren, aber hier ist der Krebs ein Mittel der Motivation, eine Chance noch einmal etwas zu erreichen, das ihr das Leben bislang verwehrt hatte. Steffi Kühnert ist da in ihrer natürlichen Art ganz bei sich. In ihr verbinden sich DDR-Vergangenheit und persönliches Schicksal ohne die gewohnte Dramatik. Sie setzt sich durch, gibt eine Aufgabe nach der anderen ab, kündigt ihren Job und lebt fortan nur noch für ihren Traum. Dabei ist das alles so inszeniert, dass ein tragisches Ende unausweichlich erscheint. Aber um Spannung geht es Marc Rensing nur sekundär. Vielmehr geht es darum, dass sich eine Frau im letzten Lebensabschnitt ihre Individualität zurück erkämpft, sich aus familiären wie gesellschaftlichen Zusammenhängen löst und auch eine belastende Vergangenheit hinter sich lässt. Im Angesicht des Todes gibt es so etwas wie eine Wiedergeburt.

Der Titel »Die Frau, die sich traut« erinnert dummerweise an »Die Braut, die sich nicht traut«, mit dem der Film so gar nichts gemein hat, auch wird er an dem Label »Krebsgeschichte« schwer zu tragen haben. Etwas zu oft ist diese Krankheit in den letzten Jahren Filmstoff gewesen. Steffi Kühnert kann hier noch einmal zeigen, dass sie vor tragischen Rollen nicht zurückschreckt und in der Alltäglichkeit, die inzwischen immer häufiger Ort des Kinos ist, ihre Position gefunden hat. Sie ist eine ungeheuer beeindruckende Frau und weiß dies zu nutzen. Auch bezieht der Film keine Position; er schlägt sich weder auf die eine noch auf die andere Seite und propagiert keinen wie auch immer richtigen Umgang mit der Krankheit. Er beschränkt sich auf die Frau und ihren Traum. Bis zum überraschenden Schluss.

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