Kritik zu Der Sommer, als ich fliegen lernte

OmeU © Der Filmverleih

Sommerferien bei der Großtante in Kroatien: Radivoje Andric verfilmt den Roman von Jasminka Petrovic als liebevoll-überdrehten Sommerfilm über ein Mädchen in der Selbstfindungsphase 

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Immer wieder klatscht sie Sofia (Klara Hrvanovic) ins Gesicht: Die sonnencremegetränkte Hand der liebevoll-protektionistischen Oma Marija (Olga Odanovic), die ihre zwölfjährige Enkelin vor den UV-Strahlen schützen will. Patsch! »Mensch Oma!«. Die beiden geben in Radivoje Andrics familientauglicher Sommer-Dramedy »Der Sommer, als ich fliegen lernte« das generationenübergreifende Paar, das für den Urlaub von Belgrad auf die kroatische Insel Hvar, die alte Heimat der Oma, reist und dort vieles findet: lange nicht gesehene Familienmitglieder, familiäre Risse, die mehr angedeutet denn auserzählt werden und im Falle von Sofia einen doch gelungenen Sommerurlaub voller neuer Eindrücke und Freunde.

Aber aller Anfang ist schwer: »Ich wünschte, ich könnte unter Wasser atmen«, bringt die zu Filmbeginn tauchende Sofia aus dem Off das Gefühl auf den Punkt, das sicher nicht wenige in ihrem Alter hegen. Das toughe Mädchen ist, wie Großtante Luce (Snjezana Sinovcic) feststellt, bei der sie auf Hvar wohnen, in der Übergangsphase zwischen Spielen im Disneyland und dem aufbegehrenden Interesse an Jungs und Sexualität. Viel lieber als mit den beiden »verrückten Omas« würde sie mit ihrer besten Freundin und der Clique campen und die Sommer-To-do-Liste abarbeiten, auf der Dinge stehen wie: »der erste Kuss« oder »eine coole Crew kennenlernen«.  

Der in Sarajevo geborene Andric verfilmt den gleichnamigen Roman von Jasminka Petrovic nach einem Drehbuch von Ljubica Lukovic als flippigen, an eine jüngere Zielgruppe gerichteten Sommerfilm. Wenn Sofias Schwarm am Strand auftaucht, fliegen kleine Herzchen um ihn herum und überhaupt taucht »Der Sommer, als ich fliegen lernte« mit surrealen Überhöhungen in die Perspektive seiner jungen Heldin ein. In einem Tagtraum stellt sie sich die Oma als Auftragskillerin vor, die auf geheimer Mission ist, um alle zu Tode zu langweilen, einmal knabbert eine übergroße Version der zunächst verhassten Spinne von der Zimmerdecke an der schlafenden Oma und spricht sogar mit Sofia.

Das ist alles locker-flockig und unterhaltsam erzählt und bekommt durch die schwelenden Konflikte eine emotionale Grundierung. Das über zwanzig Jahre währende Schweigen zwischen Marija und Luce, die für Sofia schnell zu einer geliebten Super-Tante avanciert, hat, das deutet der Film an, seinen Ursprung in den Jugoslawienkriegen. Am Rande schwelt dadurch das Trauma eines Landes mit, das viele Freunde und Familien zerrissen hat. 

Doch trotz der traurigen Momente, die nicht ausgespart werden, erzählt Andric vor allem eine blumige »education sentimentale« unter dem sommerlich blauen Himmel Kroatiens, ein bisschen Gefühlskitsch inklusive. »Der Sommer, als ich fliegen lernte« ist, auch dank des tollen Hauptdarstellerinnentrios Hrvanovic, Odanovic und Sinovcic, ein liebevoll-überdrehter Sommerfilm über ein Mädchen in der Selbstfindungsphase. Und auch ein Film darüber, dass das Miteinander-Reden alte Wunden heilen kann.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt