Kritik zu Das Wunder von Fátima

© Capelight Pictures

Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind: Marco Pontecorvo erzählt die Geschichte von der Marienerscheinung im portugiesischen Fátima im Jahr 1917

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Die theologischen Aporien formuliert der Film gleich zu Beginn: »Nicht alles, was unerklärlich ist, ist auch ein Wunder«, sagt der skeptische amerikanische Schriftsteller Professor Nichols (Harvey Keitel). »Glaube beginnt dort, wo das Wissen aufhört«, entgegnet die betagte Schwester Lúcia dos Santos (Sônia Braga) in dem Gespräch, das Regisseur Marco Pontecorvos Film im Jahr 1989 ansiedelt. Als zehnjährigem Hirtenmädchen war Lúcia (Stephanie Gil) zusammen mit ihrer Cousine Jacinta und ihrem Cousin Francesco im Kriegssommer 1917 die Muttergottes (Joana Ribeiro) erschienen. Bei ihren Treffen mit der Madonna vor einer zunehmenden Menge von Zuschauern, denen die Erscheinung freilich verborgen bleibt, offenbart diese den Kindern Visionen von den Abgründen der Hölle und dem Unheil eines Atomkriegs. Ewige Verdammnis droht auch jenen, die den Heilsversprechungen des Sowjetkommunismus erliegen.

Mit den kurzen Dialogsequenzen zwischen dem Intellektuellen und der Nonne zieht der Film eine Reflexionsebene ein, die wohl einem säkular orientierten Publikum den Zugang erleichtern soll. In Wirklichkeit hatte sich die bis zu ihrem Tod im Jahr 2005 im portugiesischen Kloster Coimbra lebende Lúcia ihr Leben lang geweigert, sich einem solchen Diskurs zu stellen – dafür hatte sie die Welt mit religiösen Schriften versorgt. Statt seinen Film in dem Spannungsfeld zwischen Glauben und Skepsis zu belassen, entscheidet sich Pontecorvo für die religiöse Variante: Er macht das Kinopublikum zum Augenzeugen der Erscheinung, die er damit als Faktum behauptet – eine Entscheidung, die den ansonsten angenehm unsentimentalen Film immer wieder am Kitsch entlangschrammen lässt.

Das ist auch deswegen zu bedauern, weil »Das Wunder von Fátima« die Geschichte der Kinder in ein Setting einbettet, das aus genau dieser Ambivalenz – Wunder oder Schimäre? – seinen Reiz bezieht. In den Familien und bei den politischen wie religiösen Autoritäten stoßen die Schilderungen von der Erscheinung auf Ablehnung und erzeugen sogar Feindseligkeiten. Der wissenschaftsgläubige Bürgermeister (Goran Visnjic) lässt die Polizei aufmarschieren, um sein Dorf vor den anstürmenden Massen zu schützen. Unterdessen hat die Dorfgemeinschaft andere Sorgen angesichts der täglichen Meldungen von ihren gefallenen oder vermissten Söhnen. 

Die in warme Brauntöne getauchten Bilder, in denen Marco Pontecorvos Erfahrung als Kameramann sichtbar wird, überzeugen in ihrer sorgfältigen, aber nicht überambitionierten Inszenierung. Die Darstellung des kargen Lebenszyklus in einer Landschaft, die sich fast im ständig wehenden Wind wiegt, erscheint geheimnisvoller als die Klischeemadonna im weißen Gewand. 

Wenn im Abspann die Bilder von der neobarocken Kathedrale zu sehen sind, die am Ort der Erscheinung erbaut wurde und deren Vorplatz die doppelte Größe des Petersplatzes hat, mag man das als Kritik an der gigantischen Vermarktungsmaschine sehen, die den abgelegenen Ort schon bald überrollte. Im Jahr 2019 kamen über sechs Millionen Pilger.

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