Kritik zu Briefe aus der Wilcza

© Barnsteiner Film

2025
Original-Titel: 
Listy z Wilczej
Filmstart in Deutschland: 
16.10.2025
L: 
97 Min
FSK: 
12

Der indische Filmstudent Arjun Talwar dokumentiert mit sehr persönlichem Blick das Leben auf einer Straße in der Warschauer Innenstadt

Bewertung: 4
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Für einen indischen Filmstudenten ist Polen nicht die naheliegendste Wahl für ein Auslandsstudium. Arjun Talwar hat sich dennoch dafür entschieden ‒ auch aus Trotz gegen gängige Trends, wie er seinem Hausverwalter erklärt. Nun wohnt der Kameramann aus Delhi im Zentrum von Warschau in einer Straße, die neben neun Friseuren, zwei Kiosken und einer Fleischerei auch eine Tanzschule, einen Asia-Imbiss, eine Galerie und ein besetztes Haus beherbergt. Die Ulica Wilcza ist etwa einen Kilometer lang und 15,5 Meter breit, wie Postbote Pjotr für Talwar ausmisst. Der historisch bewanderte Mann berichtet auch, dass der Name (deutsch: Wolf) nicht »canis lupus«, sondern dem ehemaligen adligen Besitzer des Geländes gilt.

Talwar macht die Straße zum Sujet seines zweiten langen Films, der in oft lyrischen Bildern mit eigenem (polnischem) Kommentar die im Umbruch befindliche Gegend und die dort wohnenden und arbeitenden Menschen festhält: die alte Dame von gegenüber, die morgens ihre Bettwäsche übers Balkongeländer schüttelt. Den internationalistisch gesinnten Schuhmacher mit der alten Singer-Maschine. Ein Syrer, der an einem digitalen Modell seines Viertels in Damaskus bastelt. Und die aus China stammende ehemalige Kommilitonin Mo Tan, die als Tonfrau bei Talwar anheuert. 

Mo fragt die Polen direkt nach ihrem oft kritischen Verhältnis zu den Fremden im Land. Und auch Talwars Film kreist (als Zeitbild und fragende Selbstreflexion) um Fragen nach Identität und Zugehörigkeit, Abgrenzung und Rassismus ‒ melancholisch unterlegt von Trauer und Schuldgefühlen um einen gemeinsam mit dem Regisseur nach Polen gegangenen Freund, der Suizid beging. Dabei bleibt Talwar trotz aller Feindseligkeiten (einmal wird er von Skinheads verprügelt) bemerkenswert versöhnlich. Menschliche Nähe findet er bei einem Rom aus der Kleinstadt Pultusk, der den Filmemacher auch wegen seiner indischen Expertise als Kostüm-Ausstatter und Kameramann für seine Hochzeit engagiert. In diesem Herbst sprießt auf der Wolfstraße überraschend ein dann gemeinschaftlich gepflegter Riesenkürbis.

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