Kritik zu The Black Phone

© Universal Pictures

Scott Derricksons Thriller mit übernatürlichen Momenten, der alles Exploitative vermeidet, zeigt Gewalt als Teil des Alltags und wartet mit bemerkenswerten Darstellerleistungen auf

Bewertung: 4
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 2)

Hawkwinds »Silver Machine« auf dem Soundtrack weckt für einen kurzen Moment nostalgische Gefühle, aber ansonsten ist dieser Film all den verklärten Rückblicken auf die Vergangenheit diametral entgegengesetzt. 1978 in einer Suburbia von Denver, Colorado, sollte eher die Angst umgehen, denn ein Unbekannter hat bereits mehrere Jungen entführt. Finn, der 13-jährige Protagonist der Geschichte, scheint das nur wahrzunehmen, wenn er auf den Fahndungsplakaten ein vertrautes Gesicht erblickt, gerade das von Robin, ein kräftiger Junge mit Kampfsportkünsten. Er hatte Finn noch vor kurzem vor drei Mitschülern in Schutz genommen, die ihn als »schwul« beschimpften. Kaum ist Robin verschwunden, fallen sie erneut über ihn her. Diesmal aber bekommen sie es mit Gwen zu tun. Finns Schwester ist zwar zwei Jahre jünger als er, wirft aber einem der drei Schläger kurzerhand einen Stein an den Kopf. Körperliche Gewalt ist für die beiden Geschwister kein Fremdwort, denn seit dem Tod ihrer Mutter spricht ihr Vater zunehmend dem Alkohol zu und züchtigt sie dann mit einem Ledergürtel.

Schließlich gerät auch Finn in die Gewalt des Entführers, den die Menschen den »Grabber«, den Greifer, getauft haben. Eher linkisch präsentierte sich der Fremde ihm als Teilzeitclown, bevor er ihn betäubte und in seinen schwarzen Lieferwagen zerrte. Jetzt ist Finn eingesperrt in einem großen Kellerraum, mit einem Fenster, unerreichbar in der Höhe, und einem schwarzen Telefon an der Wand. Das fängt, trotz durchgeschnittenen Kabels, irgendwann an zu klingeln. Es sind die Stimmen der fünf Jungen, die vor Finn Opfer des »Grabbers« wurden. Sie geben ihm Hinweise, wie er ihrem Schicksal entgehen kann, aber immer wieder scheitern Fluchtversuche. Robin jedoch insistiert, dass er es schaffen könne: »Du bist ein Kämpfer, Finn!« schärft er ihm ein. 

Kinder als Opfer von psychopathischen Killern sind immer problematisch, glücklicherweise gleitet »The Black Phone« nie ins Exploitative ab. Bei den Entführungen vor Finn sieht man nur in einer Totale eine Gestalt aus einem schwarzen Lieferwagen steigen und auf sein nächstes Opfer zukommen. Dafür aber sieht man den Vater des Geschwisterpaares Gwen mit dem Gürtel schlagen und mehrfach die Gewalt von Halbwüchsigen gegenüber anderen. Die Gewalt des Grabbers ist nur eine extreme Ausformung der alltäglichen Gewalt.

Das letzte Drittel des Films ist ein Kammerspiel, die Auseinandersetzung zwischen Finn und dem Täter, der sein Gesicht hinter wechselnden Teufelsmasken verborgen hat. Ethan Hawke gelingt es allein durch die Modulation seiner Stimme, Schrecken zu erzeugen. Die Darsteller des Geschwisterpaares stehen ihm dabei nicht nach, der Debütant Mason Thames und Madeleine McGraw, die mit ihrer Mischung aus Glauben und Profanität für komische Momente sorgt. Schön, dass Scott Derrickson, der 2016 mit »Doctor Strange« einen großbudgetierten Marvel-Film realisierte, sein Interesse an kleinen Filmen nicht verloren hat. 

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