Kritik zu Auf der Couch in Tunis

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In ihrer Culture-Clash-Komödie erzählt Manele Labidi in leichtem Ton von einer Pariser Psychologin, die in ihre Heimat zurückkehrt, um dort zu praktizieren. Es bleibt ein schaler Nachgeschmack

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Ein Mann und eine Frau betrachten allerlei Gerümpel, das die Frau aus Paris mit nach Tunis gebracht hat. Eine Fotografie hat es dem Mann besonders angetan. »Das muss wohl ein gläubiger Muslim sein«, sagt er. »Es ist ein Jude. Er ist mein Boss«, erwidert die Frau und die Kamera macht einen Schwenk auf eines der berühmten Schwarz-Weiß-Porträts von Sigmund Freud, auf dem ihm ein roter Fez aufgemalt wurde. Die Eingangsszene von Manele Labidis »Auf der Couch in Tunis« nimmt den lockeren und sehr charmanten Ton der Komödie gleich vorweg, offenbart aber auch schon ihr Dilemma: ein oberflächlicher und sehr europäischer Blick auf die tunesische Bevölkerung nach dem Ende des Arabischen Frühlings.

Selma (Golshifteh Farahani) ist als Zehnjährige mit ihrer Familie nach Frankreich gegangen und kehrt nun in ihre Heimat zurück, um dort als Psychotherapeutin zu arbeiten. Ihre genauen Beweggründe bleiben im Dunkeln. Natürlich ist die Skepsis zu Beginn groß: »Die Leute im Land hier sind gläubig. So was Schwachsinniges wie einen Psychodoktor brauchen wir hier nicht«, sagt etwa ihr Onkel. »Du verspottest uns«, sagt ihre Tante. Doch schon bald stehen die Menschen bei ihr Schlange und öffnen sich der jungen Frau mit dem lockigen Haar, den dezenten Tattoos, die ständig eine Zigarette in der Hand hat, dafür keinen Mann an ihrer Seite. Sie bringt die Menschen, die zwar redselig sind, aber meist nicht viel sagen, dazu, über ihre Gefühle zu sprechen, und hält zugleich eine für viele ungewohnte professionelle Distanz: Die Sitzungen beginnen pünktlich und werden komplett bezahlt. 

Labidi, selbst Französin mit tunesischen Eltern, porträtiert die vielen schrägen und in den Konventionen gefangenen Menschen mit humorvoller Sanftmut und deutet die tiefliegende Verunsicherung der tunesischen Gesellschaft nach dem Umbruch an: Selmas rebellische Nichte Olfa (Aïcha Ben Miled) trägt zwar ein Kopftuch, doch nur um die Kurzhaarfrisur mit knallbunten Strähnen zu verbergen. Und sie will einen schwulen Freund heiraten, um ihre Ruhe zu haben. Der Bäcker des Viertels hat erotische Träume, in denen arabische Diktatoren eine entscheidende Rolle spielen, und trägt Tanga unter der Bäckerkluft. Selmas Tante gesteht sich ein, dass sie die ständige Maskerade des Make-ups satt ist – und ihr Mann reagiert mit Erleichterung. Der weltoffene Imam zerbricht fast an der Intoleranz seiner Umgebung. Für all diese Menschen scheint Selma aus Paris die Erlösung zu bringen.

Das alles erzählt Labidi ganz leicht und sehr unterhaltsam; sie umschifft dabei so manches Klischee und überführt die innere Zerrissenheit Selmas auch mal in außergewöhnliche Bildsequenzen – etwa eine nächtliche Begegnung mit einem Mann, der unübersehbar Freud ähnelt und völlig unbeteiligt ihrem Lamento lauscht. Elegant lässt sie ihre in weiten Teilen durchaus hinreißende Komödie im Ungewissen enden. Der schale Nachgeschmack kommt erst ein wenig später.

Meinung zum Thema

Kommentare

Die Charaktere waren treffend und ironisch dargestellt, aber teilweise fand ich den Film langweilig. Zu viele Längen.

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