Kritik zu 9 to 5: Days in Porn

englisch © F 24 Films

2008
Original-Titel: 
9 to 5: Days in Porn
Filmstart in Deutschland: 
02.07.2009
L: 
95 Min
FSK: 
18

Was bewegt die Menschen, die im Pornobusiness ihr Geld verdienen? Jens Hoffmann sucht in seinem Dokumentarfilm nach Antworten

Bewertung: 3
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Die Pornographie hat eine zerrissene Seele. Grenzenloser Genuss ist ihre Botschaft, und doch wird sie als Fließbandprodukt hergestellt, von den Gesetzen des Marktes regiert. Vor allem den menschlichen Aspekten der Arbeit im Pornobusiness widmet sich Jens Hoffmann in seinem Branchenporträt. Er konzentriert sich auf elf Protagonisten und zeigt sie in ihrem Alltag in San Fernando Valley, dem Hollywood des Porno. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg hat er sie begleitet und interviewt. Die Bandbreite reicht von Produzenten wie Jim Powers, Punkmusiker und offensiver Zyniker, über Darsteller wie das »Pornopaar« Audrey Hollander und Otto Bauer bis hin zur ehemaligen Porno-Actrice Sharon Mitchell, die inzwischen mit Doktortitel und unermüdlichem Engagement die Hilfsorganisation AIM (Adult Industry Medical Health Care Foundation) betreibt.

Voyeurismus ist beim Thema Porno wohl kaum zu vermeiden, doch gelingt es Hoffmann, den sensationsgeilen Blick, wie ihn zahllose Pornoreportagen des Privatfernsehens zelebrieren, zu vermeiden – auch dank seiner für den deutschen Kamerapreis nominierten 16-mm-Photographie, die stets diskret ist, ohne Explizites auszusparen.

Kann am Anfang durch diese ästhetischen Bilder, einen coolen Soundtrack und nicht immer über Eigenmarketing hinausgehende Statements der Akteure der Eindruck entstehen, hier lebten rebellische Geister ihren Traum von sexueller Freiheit, wird im Lauf des Films immer deutlicher, wie kräftezehrend und von Zwängen bestimmt das Leben in dieser Parallelwelt ist, deren Produkte zwar Milliarden umsetzen. Markige Aussagen wie »Wo sonst verdient ein Mädchen, das nicht mal die Schule beendet hat, mehr Geld als ein Arzt?« treten bald hinter Bilder zurück, die eine andere Sprache sprechen. Und auch die zu Beginn gerade 18-jährige Newcomerin Sasha Grey, die so selbstbewusst und stolz auftritt, dass ihre Begeisterung für jedwede Ausschweifung geradezu heroisch wirkt, erscheint bald in anderem Licht. Die Kälte des Business bricht dann in Sätzen wie »Meine Kollegen betrachte ich nur als Werkzeuge« hervor.

Es gibt Szenen in »9to5«, die können einem »Zivilisten« – wie eine Protagonistin diejenigen nennt, die nicht zur Branche gehören – durchaus die Sprache verschlagen: Vergewaltigungsszenarien im Abu Ghuraib-Ambiente mit Kapuze über dem Kopf; das nach Würgepraktiken geschwollene, elende Gesicht einer Darstellerin – der wachsende Konkurrenzdruck fordert immer bizarrere Ideen, immer extremere Praktiken.

Hoffmann thematisiert leider nicht die dramatischen Veränderungen der Branche durch das Internet, doch was der Druck mit den Menschen anstellt, lässt sein Film ahnen. Und wie er hinter Geld, Glanz – und manchmal möglicherweise echter Lust – auch die Spuren von Erschöpfung und Bitterkeit offenlegt, verweist auf das epische Porträt einer früheren Porno-Generation, Paul Thomas Andersons »Boogie Nights«.

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