Kritik zu All My Loving

© Port-au-Prince

Bereits mit einem Bein in Hollywood, hat Edward Berger (»Jack«, »The Terror«) in Deutschland ein ­unaufgeregtes Drama über drei erwachsene Geschwister gedreht, die sich alle in einer unterschiedlichen, krisenhaften Phase ihres Lebens befinden

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Edward Bergers »All My Loving« erzählt in drei Episoden von drei Geschwistern um die 40. Gerahmt werden die Kapitel von einem Prolog und einem Epilog, in denen die Geschwister zusammentreffen. Die Einzelepisoden erzählen von krisenhaften Entwicklungen im Leben ihrer sehr unterschiedlichen Protagonisten.

Krise, das heißt für Stefan, von Lars Eidinger mit feinen Nuancen gespielt, seinen Beruf des Piloten nicht ausüben zu können. Seit drei Monaten ist er beurlaubt, wegen teilweisem Gehörverlust und Schwindel. Der Arzt rät ihm schon mal, über eine Umschulung nachzudenken. Doch Stefan verleugnet den Ernst der Lage, vor sich wie vor den anderen. Zu sehr liebt er sein Selbstbild mondäner Lässigkeit, Ungebundenheit und Coolness, und abends trägt er immer noch die Kapitänsuniform, um an Hotelbars Frauen aufzureißen. Als es Probleme mit seiner Tochter Vicky – sie stammt aus einer Affäre – gibt, gerät er endgültig an seine Grenze. Seine wenige Jahre ältere Schwester Julia (Nele Mueller-Stöfen) hat den schwersten Schicksalsschlag schon hinter sich, den Tod ihres kleinen Sohnes vor wenigen Jahren. Sie und ihr Mann Christian (Godehard Giese) versuchen, sich bei einem Kurzurlaub in Turin wieder näher zu kommen. Als die beiden zufällig alten Freunden begegnen, entladen sich der Schmerz und die gegenseitigen Vorwürfe des Paars in ungeahnter Heftigkeit.

Die dritte Episode komplettiert diese ungewöhnliche Form filmischer Familienaufstellung, denn hier kommen zusätzlich die Eltern ins Spiel, zu denen Tobias fährt. Tobias (Hans Löw), mit Mitte 30 der Jüngste der drei und immer noch Student, hat eigentlich genug zu tun mit drei eigenen Kindern, für die seine erfolgreiche Frau kaum Zeit hat, und der lange schon ausstehenden Fertigstellung seiner Diplomarbeit. Nun muss er sich der gedrückten Stimmung im Haus der Eltern aussetzen, deren Charakterzüge vielfach auf die Probleme ihrer Kinder rückverweisen: Der Vater ist ein ziemlich unerträglicher Starrkopf, der schwer krank ist, aber nicht zum Arzt gehen will, die Mutter beschwichtigt und beschönigt bis zur Ignoranz. Auch an diesem Schauplatz nehmen die Ereignisse eine Richtung, die scheinbar Festgefügtes in Bewegung bringt.

Die zeitliche Parallelität dieser Dramen und die Verdichtung der Themen über den Familienzusammenhang ergeben eine recht gewagte Konstruktion. Auch die geballte Krisenhaftigkeit könnte überkandidelt wirken. Doch mit der handwerklich genauen Gestaltung und sehr zurückhaltenden Inszenierung, die auf leise Töne, auf Seitenblicke und gut beobachtete Details setzt, wirkt das Geschehen dann doch erstaunlich schlüssig, getragen natürlich auch vom wunderbar spielenden Cast. Christine Schorn und Manfred Zapatka beispielsweise verleihen den Eltern in ihren nicht sehr zahlreichen Leinwandminuten eine Präsenz, die auch lange nach dem Filmende immer noch ihren vieldeutigen Schatten über die Geschichten der Sprösslinge wirft.

Durch die taktvolle Zurückhaltung des Films gegenüber seinen Hauptfiguren entsteht aber auch ein Problem: In diesen drei Dramen über Irritationen, notwendige Veränderungen und die Schwierigkeit, den eigenen Weg durchs Labyrinth des Lebens zu finden, bleiben zu viele Aspekte bloß angedeutet, in der Schwebe und zu allgemein, weshalb es schwer ist, mit diesen Menschen zu fühlen und mit der Handlung mitzu­gehen. Am nächsten kommt man den Glückssuchern von »All My Loving«, wenn ihre Tragik ins Komische umschlägt. Besonders Hans Löw als Tobias hat da seine Momente, etwa wenn er sich wiederholt an seine Diplomarbeit setzt, aber natürlich jedes Mal gleich das Telefon klingelt. Oder wenn er in der Dorfkneipe in die Geburtstagsparty einer 18-Jährigen gerät und hemmungslos mit den Jugendlichen feiert – bis ihm dämmert, wie deplatziert er da wirken muss.

Meinung zum Thema

Kommentare

film total überladen, bedient alle üblichen klisches.
job weg - absturz in sex, gefühle auf ein tier übertragen, vater stirbt - kind wird geboren. man merkt, man hat es hier mit fernsehakteuren zu tun.

Ein 3-Episodenfilm, der ganz ohne Dramatisierung auskommt. Wie wohltuend, ganz ruhig und konsequent leise erzählt. Berger greift Stilmittel auf, die keine sind und lässt den Zuschauer in die Ungereimtheiten einer Familie – speziell der 3 Geschwister – schauen. Wer großes Popcornkinodrama erwartet wird enttäuscht. Jede Episode ist ein Drama in sich, nicht aufgebläht, nicht überschauspielert. Einfach gut. Verändert die Verweildauer auf das Bild an sich. Wunderbar.

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