Kritik zu Anna

© Studiocanal

2018
Original-Titel: 
Anna
Filmstart in Deutschland: 
18.07.2019
L: 
118 Min
FSK: 
16

Luc Besson stellt in bewährter Weise eine junge aparte Frau als gefährliche Kriegerin ins Zentrum seiner doppelbödigen Erzählung

Bewertung: 3
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Anna ist eine junge Frau mit Alabasterteint, blaugrünen Augen und langen blonden Haaren. Ihre Schönheit spielt sie zunächst ungeschminkt, mit Kapuzenjacken-Schlabberlook herunter. Eine unscheinbar wirkende Frau, die sich wie viele andere im Russland der 80er Jahre mühsam durchschlägt, mit dem Verkauf von Matrjoschka-Puppen auf dem Markt. Dabei ist die Matrjoschka-Puppe zugleich eine nicht sonderlich originelle Metapher für die Erzählweise dieses Spionage-Thrillers, in dem Zeitebenen und Identitäten in ähnlicher Weise ineinander geschachtelt sind wie die Puppenfiguren. Auf das Angebot eines Talentscouts aus London reagiert Anna verhalten enthusiastisch, lässt sich dann aber doch mürrisch auf eine Supermodelkarriere in Paris ein. Oder geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes?

Nikita, Johanna von Orleans, Angel-A, Lucy: Luc Besson hat ein Faible für aparte junge Frauen. Darstellerinnen wie Isabel Adjani, Natalie Portman, Mila Jovovich,  Rie Rasmussen, Cara Delevingne und jetzt Sasha Luss (die haarlos mit Sternpupillen und bizarren Creature-Ohren in Valerian schon eine Rolle als Alien hatte) hat er oft aus dem Modegeschäft gepflückt, einige von ihnen haben bei ihm eine illustre Filmkarriere begonnen. Mondäne Amazonen, gefährliche Kriegerinnen, geheimnisvolle Femmes fatales, entrückte Engel: Seit einem Vierteljahrhundert zelebriert Besson die Frau als Kunstfigur, als märchenhafte Männerfantasie. Geht das noch im 21. Jahrhundert, im Zeitalter von #Metoo? Der Start von »Anna« wurde mehrfach verschoben, weil mehrere Frauen dem Regisseur sexuelle Übergriffe vorwarfen, inzwischen wurde das Verfahren eingestellt. Er selbst sagt, er wolle den Irrtum korrigieren, dass Frauen das schwächere Geschlecht seien: »Seit den 70er Jahren sehen wir ununterbrochen diese Muskelmänner, die die Welt retten, während die Frauen im Hintergrund weinen«, sagt er. »In Wirklichkeit sind die Frauen so stark wie in meinen Filmen, meistens stärker als die Männer.«

Anna sendet widersprüchliche Signale, gibt sich äußerlich offensiv verführerisch, zieht unter der gefälligen Fassade aber ihr ganz eigenes Ding durch, was im Zeitalter von Wonder Woman und Captain Marvel nicht mehr so originell ist. Besson übertreibt es auch ein bisschen mit dem Spiel mit Zeiten und Identitäten. Anna spielt alle, die glauben, sie in der Hand zu haben, gegeneinander aus. Hinter jeder Identität schimmert eine neue auf, jede Strategie hat einen doppelten Boden. Mit ihr schließt sich ein Kreis, der vor bald dreißig Jahren mit Nikita begonnen hat. Wie jene erkauft sich nun auch Anna einen Ausweg aus der kriminellen Sackgasse, als Hochleistungs-Action-Amazone im Dienst der Regierung. 

Es ist kein Zufall, dass »Anna« auch in der ausgehenden Zeit des Kalten Krieges spielt, in der »Nikita« entstanden ist. Man könnte »Anna« als eine Art »Best of Besson« betrachten, in dem der Regisseur die bekannten Motive bisweilen so sehr auf die Spitze treibt, dass sie fast zur Parodie werden. Das ist zwar nichts Neues, aber auf eine No-Brainer-Weise durchaus vergnüglich.

Meinung zum Thema

Kommentare

Die heimische Presse hierzulande verteilt keine guten Kritiken zu diesem Film. Umso erstaunlicher die Kritiken von EPD.

Luc Besson schuf ein eigenes Genre von Film, dem sich ein eingefleischter Cineast kaum entziehen kann.

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