Cannes 2016: Das Starsystem funktioniert

Von Kristen Stewart bis Sonia Braga: In Cannes werden Schauspieler zu Stars und 2016 ist in dieser Hinsicht ein besonders guter Jahrgang
Cannes Film Festival 2016 © Louis Fauquembergue / © FIF

Für die Tage des Filmfestivals dreht sich in Cannes alles um den Roten Teppich. Wenn ihn nicht gerade Stars und Profifotografen besetzt halten, knipsen sich die Filmfans und Touristen selbst, nur weil hier vor kurzem noch Julia Roberts war. Fotografiert werden aber auch unbekannte Gesichter, es reicht, wenn sie in Abendgarderobe erscheinen, schließlich könnte es ja sein, dass es sich um einen Star von morgen handelt. Und genau auf das gründet das Ökosystem des Filmfestivals: die Promikultur verhilft mit ihrem Klatsch und Glamour den – noch – nicht berühmten Künstlern zur Sichtbarkeit. Diese wiederum geben in der Währung ihrer kreativen Impulse etwas zurück: Sie schaffen das Umfeld, in dem neue Stars geboren werden und ältere ein Comeback erleben können.

So hat etwa Spaniens Meisterregisseur Pedro Almodóvar mit der Hauptrolle in »Volver« 2007 Penélope Cruz ihre erste Oscar-Nominierung verschafft – ein Erfolg der seinen Ausgang auf dem Festival in Cannes nahm. In seinem neuen Film »Julieta«, den er im Wettbewerb nun vorstellte, kehrt Almodóvar wieder zurück zu jener Frauen-zentrierten Erzählform, die ihn bis hin zu »Alles über meine Mutter« berühmt machte. Die Titelfigur Julieta wird in zwei Lebensaltern gezeigt: als junge Frau (Adriana Ugarte) und als Mittfünfzigerin (Emma Suárez), in beiden durchlebt sie Schicksalsschläge, die der Film mit dem für Almodóvar typischen Touch schildert: einerseits kühn artifiziell, andererseits ganz der Intensität der Gefühle treu. Der Film überzeugte nicht alle, doch für den Roten Teppich gab sein starkes Frauenensemble, zu dem auch wieder Kultstar Rossy de Palma gehört, eine Bestbesetzung ab.

So widerlegt der rote Teppich in Cannes in diesem Jahr bestens die im Vorfeld wieder laut gewordene These, dass das Starsystem nicht mehr funktioniere, weil etwa Julia Roberts und George Clooney – deren »Money Monster« bei der Kritik größtenteils durchfiel – nicht mehr genug zögen, während neue Gesichter in digitalen Zeiten keine Chance mehr bekämen. Das beste Beispiel dafür ist Kristen Stewart: der 1990 geborene »Twilight«-Star hat das Vampir-Franchise lang hinter sich gelassen. In diesem Jahr war sie in gleich zwei Filmen in Cannes der umjubelte Star: im Eröffnungsfilm »Café Society« von Woody Allen und in »Personal Shopper« des französischen Autorenfilmers Olivier Assayas. So gemischt die Kritik zu den Filmen war, so einhellig war das Lob für Stewart und ihr herausragendes und doch so eigenes Spiel. Die kreischenden Fans an der Croisette pflichteten auf ihre Weise bei.

Umjubelt, und das zur Überraschung so manches alten Cannes-Veteranen, wurde auch Adam Driver. Seit seinem Auftritt als Kylo Ren in »Star Wars« kennt ihn das Blockbuster-Publikum weltweit, doch angefangen hat Driver als Star der Kult-TV-Serie »Girls«. Der 32-jährige Kalifornier spielt aber konsequent weiter in Independent-Filmen. Vor zwei Jahren bereits gewann er damit auf dem Festival in Venedig bereits den Schauspielerpreis. In Cannes trägt er in diesem Jahr als dichtender Busfahrer in Jim Jarmuschs »Paterson« den launisch-lakonischen Film mit soviel verhaltener Ironie und Tiefe, dass er als auch hier als Palmenkandidat gilt.

Selbst »Transformers«-Star Shia LaBeouf nutzte in diesem Jahr den roten Teppich in Cannes, um sich neu zu erfinden: in Andrea Arnolds »American Honey« hat er einen starken Auftritt als lässiger Jungmädchen-Verführer. Umso braver gab er sich auf dem bei der Premiere: keine Bizarrerie wie noch vor zwei Jahren während der Berlinale, als er mit einer Papiertüte auf dem Kopf zur Premiere erschien. Die Klatschpresse schiebt es auf den Einfluss seines Ko-Stars Sasha Lane, die als jugendliche Herumtreiberin in »American Honey« ihre erste Kinorolle hat und als grandiose Neuentdeckung von Cannes gilt.

Und von einer sicheren Oscar-Nominierung ist auch schon die Rede für die Amerikanerin Ruth Negga, die in Jeff Nichols' Südstaatendrama »Loving« die farbige Frau einer in den 50er Jahren im Staate Virginia noch verbotenen Mischehe spielt.

Wie überhaupt es die Schauspielerinnen sind, die in diesem Jahr den Wettbewerb dominieren: So feiert die 66-jährige Sonia Braga, Schauspielstar und brasilianisches Sexsymbol der 70er und 80er Jahre und einige Jahre mit Robert Redford liiert, ein großartiges Comeback: im Wettbewerbsbeitrag »Aquarius« wehrt sie sich als letzte Bewohnerin eines alten Hauses gegen dessen Abriss durch eine Immobilienfirma. Die Auseinandersetzung gibt Anlass zu einem persönlichem Rückblick und zur Selbstbesinnung, ist zugleich aber eine passende Allegorie auf die Vorgänge im heutigen Brasilien. Zur Premiere protestierte die Crew des Films mit Schildern gegen die Amtsenthebung Dilma Rousseffs. Natürlich auf dem roten Teppich. 

Meinung zum Thema

Kommentare

Zum einleitenden Cannes-Absatz: Das ist doch schon immer so gewesen. Ist auch okay so. Was soll die Häme?
Ansonsten:
- schön, dass aktuell berichtet wird aus Cannes
- bitte mehr Filme aus dem Wettbewerb besprechen
- bitte fundiertere Besprechungen. Warum ist "American Honey" etc. sehenswert oder auch nicht? Der Papiertüten-Gossip interessiert doch keinen mehr.

Vielen Dank und viele Grüße

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