Forum: »Nuestra voz de tierra, memoria y futuro«

»Nuestra voz de tierra, memoria y futuro« (1981). © Fundación Cine Documental/ Investigación Social

Heute habe ich den bisher für mich bedeutsamsten Film der diesjährigen Berlinale gesehen – wie »Delphine et Carole, unsoumise« und »Sois belle et tais-toi« im mit Entdeckungen prall gefüllten »Archival Constellations«-Teil des Forums, das ich wegen der Überfülle der Gesamt-Sektion fast übersehen hätte. Ich habe dort – auch wegen der Schreiberei – leider schon einige Perlen verpasst, das geht bei so einem Festival blitzschnell. Aber es kommen auch noch ein paar Filme...

Der Film ist »Nuestra voz de tierra, memoria y futuro« und wurde in den Jahren vor 1981 von Marta Rodríguez und Jorge Silva in vier Jahren gemeinsam mit Indigenen in der Cauca-Region in Kolumbien gedreht. Es geht um den Kampf dieser Bevölkerung gegen Landraub, Armut und politischer Unterdrückung durch das Militär. Das besondere neben dieser Parteinahme und aktiven Teilnahme ist die visuell kraftvolle Erzählweise, die Elemente traditioneller Mythologie mit Teufeln und Geistern mit nebeldurchwobenen Landschaftsbildern und inszenierten Darstellungen militanten Widerstands verwebt. Und das ohne jede Romantisierung. Beeindruckend auch eine Tongestaltung, die auf der Basis von Elementen lokaler Musik fast experimentelle Klänge schafft.

Sehr lesenswert dazu auch ein Interview mit Jorge Silva und Marta Rodríguez aus dem Jahr 1982, das ausführlich im Online-Auftritt des Forums-Programm übernommen worden ist.

Der Film wurde jetzt wie 1982 bei seiner Uraufführung im Forum im Delphi vorgeführt. Dafür wurde die im Arsenal-Archiv gelagerte 16-mm-Kopie digital restauriert und in 2K verfügbar gemacht. Dabei – dies als Anmerkung zur Rekonstitutions-Debatte aus filmarchivalischer Sicht – gingen das Originalmaterial und eine digitale Kopie nach Verfertigung der Restaurierung wieder zurück in kolumbianische Archive. Für den deutschen Verleih ist der Film, der einst ein Dauerbrenner im Programm politisch engagierter und kommunaler Kinos war, über »arsenal-berlin.de« (nicht »arsenalfilm.de«, das ist etwas kompliziert) verfügbar.

Die über 80jährige Regisseurin Marta Rodríguez (Co-Regisseur und Ehemann Jorge Silva starb schon 1987) war mit ihrem ebenfalls als Filmemacher tätigen Sohn Lucas Silva zur Vorführung ins Delphi gekommen und berichtete von der Bedeutung, die die alten Filme auch heute für die kulturelle und politische Bildung der jungen Generation in Kolumbien haben. Dies vor dem bitteren Hintergrund, dass die politische und menschenrechtliche Lage in der Region derzeit auch trotz des sogenannten Friedensabkommens wieder extrem angespannt ist und, wie Rodríguez berichtete, wöchentlich AktivistInnen sterben. So bleibt der Film als Spiegel der heutigen politischen Situation in die Geschichte traurig aktuell. Nur hat sich die Anfang der 1980er bei aller Härte noch geäußerte Hoffnung auf Änderung zum Positiven heute scheinbar endgültig zerschlagen. Vielleicht auch deswegen ist die Regisseurin trotz ihres Alters immer noch im Dokumentarfilm aktiv.

»Nuestra voz de tierra, memoria y futuro« ist noch einmal zu sehen am Freitag um 13:45 Uhr im CineStar 8, das dürfte nach dem BVG-Streik gerade so klappen.

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