Forum: »Delphine et Carole, insoumuses«

»Delphine et Carole, insoumuses« (2019). © Archives Centre audiovisuel Simone de Beauvoir

Gestern abend nach der Akkreditierung und dem ersten Blog mit Sichtung der Festivalunterlagen erst richtig im Festival angekommen. Und ein Schock: Denn neben dem schon letztes Jahr schmerzlich vermissten grafischen Übersichtsplan sind auch andere Informationsmöglichkeiten aus den Festival-Planungs-Unterlagen verschwunden. Außerdem wurden die Zugangs- Bedingungen für die Presse (für mich total überraschend und unangekündigt) extrem verschlechtert, was die Möglichkeit betrifft, ohne Ticket nur mit dem Festival-Ausweis Vorführungen zu besuchen.

So wurden drei der in diesem Sinn benutzbaren Forums-Kinos anscheinend komplett auf Ticket-Betrieb umgestellt. Und diese kann man immer erst für den nächsten Tag vorbestellen, wozu man persönlich an einem einzigen Counter am Potsdamer Platz erscheinen muss. Das heißt, wer auf Sektionen jenseits des Wettbewerbs spezialisiert ist und vormittags zu Hause schreibt (wie ich meist), kann sich viele Filmvorstellungen komplett abschminken, weil die beim Eintreffen vor Ort längst ausgebucht sind. So bleibt für den spontanen unkomplizierten Kinobesuch für das Forum nur das sogenannte Pressekino Cinemax 6, das aber seit dem Öffnung für Industrie-Teilnehmer hoffnungsvoll überfüllt ist. Zusätzlich wird hier eine Einlasspolitik betrieben, die es unmöglich macht, mehrere Filme hintereinander zu sehen - was für viele Filmjournalisten unabdingbar ist. Besonders schmerzlich ist aber der Wegfall des Delphi als Pressekino, wo man als einzigem Forumskino auch bisher zwischen den Filmen einfach im Saal  sitzen bleiben konnte. Hoffentlich bleibt dieser Usus bestehen!

Unverständlich besonders, dass auch im Jahr 2019 bei der Berlinale bei anderen Festivals längst übliche bequemere Buchungsmethoden per Telefon und Online noch nicht Einzug gefunden haben. Bei der Viennale kann man auch Presse-Tickets unkompliziert per Telefon reservieren. Und in Rotterdam oder bei der »Diagonale« in Graz (nur als Beispiel) etwa können alle Besucher ganz einfach und übersichtlich über ihren Account und die Webseite online Tickets buchen, den Reservierungsstatus von Vorstellungen (ausgebucht, knapp oder frei) einsehen und auch ändern. Bei der Berlinale dagegen muss man persönlich zum Ticketcounter zurück gehen und die Karte abgeben. Das ist technische Steinzeit.

Genug der Beschwerden: Heute der Termin von ProQuoteFilm für einen sogenannten #Calltoaction der Frauenfilmorganisationen, der diesmal mit großem Tamtam im Auswärtigen Amt mit Begrüßung durch Michelle Müntefering (mit Hinweis auf den letzten Niedersachsen-Tatort mit der ersten schwarzen Kommissarin des Formats) stattfand, wozu dann auch entsprechende Security und stundenlanges Herumstehen vor der letztendlichen Saalöffnung gehörten. Action statt Reden war das inhaltliche Programm, der Rahmen dezidiert international, aber doch (sicherlich auch wegen der Reisekosten) unerfreulich begrenzt: So wurde das Fehlen von Frauen aus Asien, die schwache Besetzung aus Lateinamerika (nur Brasilien) und Afrika (nur Südafrika) und Osteuropa festgestellt, in letzterer Region allerdings weniger aus materiellen Gründen als starkem politischem Desinteresse, wie die beiden anwesenden Frauen aus Bulgarien und Tschechien beklagten. 

Aus vielen europäischen Ländern und auch aus Südafrika (wo die Sicherheit am Set für Frauen ein besonders Problem ist) ließen sich Fortschritte in der Sache (also einer ersten quantivativen Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes und erfolgreicher Aktion für steigende Quotenzahlen) berichten. Bedeutsam sicherlich der geballte Auftritt von Akteurinnen, die inhaltlich an das letztjährige Berlinale-Treffen der Frauenfilmfestivals zu Diversity und Visibility anknüpfte und aus drei unterschiedlichen Regionen (USA, GB und Deutschland) eine stärkere Beteiligung von Women of Colour einforderte. Das wurde allgemein mit spontanem Applaus bedacht - kann aber praktisch nur wirksam werden, wenn die entsprechenden Akteurinnen sich auch weiterhin kontinuierlich einbringen. ProQuoteFilm ist ja keine Stelle, an die man Forderungen stellt, sondern eine Plattform, um sich zu organisieren. Nicht thematisiert wurde, dass eine Quotierung nach ethnischen Kriterien auch eine derartige Labelung von Anträgen bedeuten würde und deshalb jedenfalls für Deutschland durchaus umstritten ist.

Mein bisheriger (!) aber definitiver Lieblingsfilm heißt »Delphine et Carole, insoumuses« und ist das Doppel-Porträt der auch als feministischen Filmemacherin aktiven Schauspiellegende Delphine Seyrig und ihrer »Komplizin« Carole Roussopoulos im frühen französischen feministischen Video-Aktivismus der 1970er-Jahre. Leider nur noch heute im »silent green« (ja, die Filmlaufzeiten wurden auch gekürzt (dazu die nächsten Tage mal mehr) und besonders schöne Spielstätten wie die Akademie der Künste sind weggefallen) und nächsten Sonntag (also am 16., leider werden dann viele Auswärtige nicht mehr da sein...) im Arsenal, dann aber mit zwei Kurzfilmen der beiden und Delphine Seyrigs langer Dokumentation aus dem Jahr 1976 (»Sois belle et tais-toi!«) über Sexismus im Filmbusiness. Mehr als sehenswert!

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