Retrospektive: »Eolomea« (DDR 1972)

»Eolomea« (DDR 1972). © DEFA-Stiftung / Alexander Kühn

Die Eroberung des Weltalls ist weit vorangeschritten, Raumstationen und Außenposten auf verschiedenen Asteroiden sind von der Menschheit schon besetzt worden. Aber hier außen herrscht kosmische Langeweile. Ein, zwei Leute in ihren Stationen, monatelang… Eine Schildkröte haben sie dabei. Einen Wecker, schön ticktack und rasselrassel, auch wenn der wegen Raum und Zeit und Einstein nur nach Zufall um sieben Uhr klingelt. Ein Roboter (ohnehin ulkig: mit dem Gemüt eines Kindes, und zusammengebaut, als hätte in Kind ihn auf dem Schrottplatz konstruiert) wackelt mit Teekanne und Tässchen aus schön verziertem Porzellan in die Kommandostation der Raumstation Margot. Die Sehnsucht nach der Erde ist groß, und die Astronauten freuen sich über jede kleine Reminiszenz an die alte Heimat. Im Raumschiff von Dan und Kun hängt ein Schild am Fenster zum Welraum: »Nicht öffnen, bevor der Zug hält«.

Diese Sehnsucht derer da draußen nach Hause hat Herrmann Zschoche interessiert an »Eolomea«, wie er bei der Eröffnung der Retrospektive im International erklärte. Von Weltraum und Technik habe er überhaupt keine Ahnung, und das Genre interessiere ihn auch kaum. In jeder Hinsicht also einmalig, dieser Film – gezeigt wurde er in brillanter 70mm-Projektion, und die Leuchtkraft der Farben ist schon überwältigend – sowohl die Erdenbilder als auch die Weltallvisionen, die oft genug psychedelisch wie Pink Floyd-Cover in deren Frühzeit (und habe ich in der Filmmusik nicht Anklänge an die psychedelischen Stones von 1967 rausgehört?).

Dan ist die Hauptperson. Aber auch Maria Scholl, junge Professorin im internationalen Wissenschaftsrat, an dem auch Inder, Araber, Chinesen und Dunkelhäutige (vermutlich nicht nur aus Afrika, auch aus den USA) teilnehmen. Wir haben eine Welt der großen Einigkeit, ohne Konflikte, und die Weiten des Kosmos sind auch keine Frage der Technik, eher der Geschwindigkeit der Raketen.

Nun aber das große Rätsel für die intergalaktischen Institute der Erde: Acht Raumschiffe sind im Umkreis der Station Margot verschwunden, und Professor Ole Tal scheint mehr zu wissen; und auch nicht sonderlich darüber beunruhigt zu sein, dass seine eigene Tochter unter den mit den Raketen vermissten Astronauten gehört. Während auf der Erde Prof. Scholl Prof. Tal auf die Schliche zu kommen versucht, ergeht sich im All Dan (englisch ausgesprochen; mit Spitzname: der singende Dan, obwohl wir ihn nie singen hören – Beispiel dafür, wie der Film mit Andeutungen spielt auf eine größere, dahinterstehende Geschichte), Dan also ergeht sich in Zynismen und in Erinnerungen an Maria Scholl, die er bei seinem letzten Erdenbesuch kennen- und liebengelernt hat. Er will nicht mehr da oben hocken – aber was anderes hat er in seinem Leben eigentlich auch nicht vor.

Immer wieder sehen wir ihn am Strand, wie er dort Maria kennenlernt, und da zeigt sich, warum eben doch kein anderer als Zschoche diesen Film hätte inszenieren können: Wie sich hier eine Beziehung anbahnt, das ist so fein und geschickt gemacht, wie wir es im letzten Jahr schon in »Karla« bewundert haben. Mit einem Mann, der erstmal maskulin chauvinistisch und angeberisch auftritt, und einer Frau, die selbstbewusst pariert und ihm zwei Nasenlängen voraus ist. Dan jedenfalls träumt von dieser Liebe, und das Schöne am Filmschnitt ist, dass nie klar ist, was Erinnerung, was Traum, was Vorausblick auf die Zukunft ist; vielleicht ist ja alles imaginär?

Der Zyniker ist eigentlich Romantiker, und das Weltall nicht voller Gefahren, sondern voller Möglichkeiten. Irgendwo da draußen, an der 21. Sonne im Sternbild Schwan, da gibt es diesen Planeten des ewigen Frühlings, Eolomea genannt, wahrscheinlich gibt es ihn, vermutlich vielleicht. Grund genug, nachzusehen, für einige zumindest. Keine Außerirdischen, keine Raumschlachten und Laserschwerter. Und wenn doch etwas merkwürdig ist, auf dem Nachbarasteroiden zum Beispiel, wo Astronaut Pierre eine seltsame Krankheit hat und von seltsamen Schatten heimgesucht wird, da verständigt er sich mit diesen Schatten einfach auf einen Burgfrieden. Dass es hier mit den sprudelnden, nebligen Kraterquellen aussieht wie auf Mario Bavas »Planet der Vampire« ist vielleicht Zufall, Zschoche interessiert sich ja nicht für Science Fiction. Aber andererseits: Vielleicht sieht es da oben ja wirklich so aus, Rosetta hat ja von ihrem Kometen sooo unscharfe Bilder gefunkt…

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