Zwischen gestern und morgen

Das Wohlleben ist für Schauspielerkarrieren nicht immer von Vorteil. Gert Fröbe liefert hierfür ein lehrreiches Beispiel. Jules Dassin hatte „Berliner Ballade“, mit dem er seinen Durchbruch feierte, gesehen und wollte ihn unbedingt als einen der Einbrecher in „Rififi“ besetzen. Der Regisseur erlebte einen gehörigen Schock, als der Schauspieler zum Vorsprechen erschien.

1948, bei den Dreharbeiten zu Robert Stemmles Nachkriegssatire, war Fröbe noch spindeldürr und wog ganze 58 Kilogramm. Sechs Jahre später jedoch hatte er mächtig zugelegt und brachte 135 Kilo auf die Waage. Mit seinem Wohlstandsbauch wäre er nie durch das Loch gekommen, das die Diebe in die Decke des Juweliergeschäfts gebohrt hatten. Statt dessen spielte der ranke Carl Möhner schließlich Jo, den Schweden, - und Fröbes Weltruhm verschob sich um ein Jahrzehnt. Das deutsche Wirtschaftswunder hatte seinen Preis.

Zwei Jahre später besetzte ihn Dassin dann doch in der griechischen Passion „Der Mann, der sterben muss“, kurioserweise an der Seite von Möhner und dem Hauptdarsteller von „Rififi“, Jean Servais. Der Regisseur lag ja nicht falsch mit seiner Bewunderung für Fröbe, wobei allerdings man festhalten muss, dass Fröbes Spiel 1948 auch noch nicht so feist war wie später. Davon können Sie sich, kostenlos und ziemlich weltweit, im aktuellen Streamingangebot der Deutschen Kinemathek überzeugen, das einige Tage vor dem heutigen 80. Jubiläum des offiziellen Kriegsendes online ging und bis zum 15. Juli abrufbar ist (https://www.deutsche-kinemathek.de/de/kinemathek/presse/selects-12-after-war). Die Filmauswahl umfasst zweimal zwei Perspektiven, einerseits die bundesrepublikanische und die von DEFA-Produktionen, anderseits die der Zeitgenossenschaft der späten 1940er Jahre und späterer Blicke auf die historisch-moralischen Umbrüche. Die Regisseurinnen der zweiten Kategorie gehören, mit Ausnahme von Gert Kroske („Vokzal - Bahnhof Brest“), noch der Erlebnisgeneration an: Helke Sander („BeFreier und Befreiter“), Helma Sanders Brahms („Deutschland, bleiche Mutter“), Frank Beyer („Karbid und Sauerampfer“) und Heiner Carow („Die Russen kommen“). Das Programm schillert zwischen Spiel- und Dokumentarfilm; also eigentlich dreimal zwei Perspektiven. Es versammelt nicht nur hinlänglich bekannte Titel ( Wolfgang Staudtes „Mörder sind unter uns“ taucht unter obigem link nicht auf, in einer anderen Liste schon), sondern auch den 1945 brandaktuellen „Aktion Storch“.

Ich möchte mich vorerst auf die zeitgenössischen Filme konzentrieren, die einen neuen Blick aushalten. Wobei „Berlinaler Ballade“ sich als Science-Fiction-Film aus dem Jahr 2048 zu erkennen gibt. Später mehr, ich sichte noch.

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